TU intern - Juni 2000 - Aktuelles

NC für Informatik - Notoperation in Zeiten knapper Kassen

Die Republik blickt kopfschüttelnd auf die Berliner Universitäten. Nach der Technischen Universität (TU) haben auch die Humboldt-Universität (HU) und die Freie Universität (FU) die Einführung eines Numerus clausus für ihre Informatik-Studiengänge beschlossen

Mit dem lokalen NC für Informatik in Berlin werden Forderungen danach laut, Informatik wieder in die Zentralstelle für das Verteilverfahren der Vergabe von Studienplätzen (ZVS) aufzunehmen, um auf diese Weise eine maximale Ausschöpfung des Informatikangebots in Deutschland zu ermöglichen. Dabei wurde die Informatik erst im Wintersemester 1994/95 aus der ZVS-Liste gestrichen, da es genügend Studienplätze gab.

"Es wäre unverantwortlich, das Fach volllaufen zu lassen"
Josef Lange, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung
Doch schon wenige Semester später stieg die Nachfrage drastisch an, ohne dass dies bundesweit über die ZVS vernünftig geregelt werden konnte. Die TU Berlin sah sich nun gezwungen, den Zugang zur Informatik zu beschränken. Ein wesentliches Argument für den lokalen NC war, dass die Qualitätssicherung der Lehre einen hohen Stellenwert habe, die bei einer ausufernden Überlast nicht mehr gegeben sei. Der Fachbereich hatte im vergangenen Wintersemester 1999/2000 im Studiengang Informatik bei einer Aufnahmekapazität von 200 Studienplätzen 534 Studierende und im Studiengang Technische Informatik bei einer Aufnahmekapazität von 87 Studienplätzen 162 Studierende aufgenommen. Das entspricht einer Überlastung von mehr als 100 Prozent.

Im kommenden Wintersemester ist der Fachbereich Informatik der TU Berlin bereit, für die Informatik 300 Studierende und für die Technische Informatik 130 Studierende aufzunehmen. Damit nimmt er eine Überlast von 50 Prozent in Kauf. Darüber hinaus hat die Universitätsleitung die Ausstattung mit wissenschaftlichen Mitarbeitern von 80,5 auf 90 erhöht und den Fachbereich zu 100 Prozent ausfinanziert. An Kooperationsprojekten mit der Wirtschaft wird mit Hochdruck gearbeitet.

Scharfe Kritik am lokalen NC kam vor allem von der Industrie- und Handelskammer (IHK) sowie dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Angesichts des künftig noch zunehmenden Bedarfs an Informatikern hält die IHK den NC für paradox und schädlich. BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel warf den Berliner Universitäten vor, mit ihrer Entscheidung dokumentierten sie, wie wenig sie auf Marktsignale zu reagieren in der Lage seien.

"In der gegenwärtigen Situation ist das ein falsches Signal. Wir müssen Studienplätze ausbauen."
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung
Der Berliner Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Christoph Stölzl, stützt die Entscheidung der Universitäten. "Die Berliner Hochschulen haben trotz der schwierigen Finanzlage erhebliche Anstrengungen unternommen, um den von der Wirtschaft geforderten Bedarf an IT-Fachkräften auszubilden", erklärte er. Ende Mai kündigte der Wissenschaftssenator eine konzertierte Aktion gemeinsam mit Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner zur Schaffung weiterer Studienplätze an. Hier sei auch die Wirtschaft gefordert, sagte Stölzl gegenüber dem Berliner Tagesspiegel. Die IHK begrüßt diese Initiative ausdrücklich.

In einem Gespräch mit den Präsidenten der drei Berliner Universitäten und den Dekanen der Informatik-Fachbereiche ebenfalls Ende Mai regte Stölzl an, die Besoldung von Informatik-Dozenten zu erhöhen. Neben dem Ausbau bereits bestehender Kooperationen ist aus Sicht des Senators auch eine personelle Hilfe von Unternehmen für die Universitäten denkbar. Einig sind sich alle darin, dass die Zulassungsbeschränkung wieder aufgehoben werden müsse.

ths

Mehr Infos: http://www.berlinews.de


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