TU intern - Mai 2000 - Internationales

Je höher der Norden, desto kühler die Leute

Ein Studienaufenthalt im norwegischen Bergen


Bergen - Berverly Hills in Norwegen

Sinisa Stanojevic hat von Herbst 1998 bis Sommer 1999 in der charismatischen Stadt Bergen im Norden Europas Betriebswirtschaftslehre studiert. Bergen ist nicht nur die zweitgrößte, sondern auch eine der schönsten Städte Norwegens. Das Leben dort ist Laisser-faire - eine Art Beverly Hills des Nordens. Einer der Höhepunkte des Aufenthaltes war, so Sinisa Stanojevic, die Teilnahme am "Project Europe", einem internationalen Projekt, das ausschließlich von Studierenden organisiert wird.

Bergen - eine Stadt ohne Probleme und Sorgen, so scheint es. Die Straßen sind sauber, Bettler gibt es keine, die Leute sind elegant gekleidet. Und die Norweger? Sie sind ein richtig nettes Volk, aber sehr zurückhaltend. Es kostete schon einige Mühe, engere Freundschaften aufzubauen. Um ihnen entgegenzukommen, sollte man sich um die norwegische Sprache bemühen. Die Norweger sprechen zwar alle ausgezeichnet Englisch, unterhalten sich aber trotzdem lieber in der eigenen Sprache, was ja auch verständlich ist. In den studentischen Sportvereinigungen etwa steht man ohne die entsprechenden Sprachkenntnisse schnell im Abseits.

ZENTRUM UNI

Wer wie ich zum Wintersemester nach Bergen kommt, hat wohl mit der Dunkelheit zu kämpfen. Im Sommersemester stellen sich dann eine gewisse Vertrautheit und ein Heimatgefühl ein. Dies wird durch die immer längeren Tage gefördert, die einen das Zeitgefühl verlieren lassen. Auch das Wetter bessert sich. Während es die ersten Monate nahezu nur geregnet hat, lässt sich ab dem Frühjahr die Sonne immer öfters blicken.

Anders als in Berlin spielt sich in Bergen nicht nur das studentische, sondern auch das private Leben rund um die Uni ab. Nicht nur, dass sie hervorragend mit Computern ausgestattet ist, auch Freunde und bekannte Gesichter trifft man hier täglich mehrfach.

Einer der Höhepunkte war die Teilnahme am "Project Europe". Es wird von Studierenden für Studierende aus aller Herren Länder organisiert. Im Mittelpunkt steht jedes Jahr ein bestimmtes Thema, über das dann intensiv diskutiert wird. 1999 stand das Thema Ethik auf dem Programm. Das eine Woche laufende Projekt wurde vor allem dadurch nachhaltig geprägt, dass alles gemeinsam unternommen wurde. Außer Vorträgen und Workshops gibt es Ausflüge, Partys Bankette und vieles mehr.

Das Leben an der Uni wird natürlich auch vom normalen Vorlesungs- und Seminarbetrieb bestimmt. Das Unisystem ist dem amerikanischen sehr ähnlich. Es gibt viele verschiedene Kurse, kleine Klassen und einen unmittelbaren Praxisbezug - also alles, was an deutschen Unis selten zu finden ist. Außerdem haben die Professoren für ihre Studierenden jederzeit ein offenes Ohr.

TEURES LEBEN

Das Studium in Norwegen hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Was für die Norweger ganz vernünftige Preise sind, ist für uns ein teurer Spaß. Interessant war die Beobachtung, dass zu Beginn des Sommersemesters die Preise wieder einmal gestiegen sind. Im Durchschnitt braucht man für einen Monat - sparsam gerechnet - mindestens 1200 Mark.

Aber mittlerweile zeichnet sich ein anderer Kurs ab. Die Supermarktketten etwa versuchen, ihren Konkurrenten Marktanteile abzujagen, was auf die Preise natürlich einen positiven Einfluss hat. Übrigens kann es in Norwegen, wohlgemerkt eines der reichsten Länder Europas, immer noch vorkommen, dass man im Supermarkt keine Milch bekommt.

Sinisa Stanojevic

Die Universität Bergen

Der Campus der 1946 gegründeten Universität Bergen liegt inmitten der Stadt. Die Gründungsgeschichte der damals erst zweiten Universität in Norwegen reicht bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und ist aufs engste mit dem "Bergen Museum" verknüpft.

Obwohl vergleichsweise jung, hat sich die Bergener Universität bereits einen guten Ruf erworben. In den 1970er Jahren avancierte sie zu einem Zentrum für vergleichende Sozialwissenschaften und Politikwissenschaften, 1990 wurde sie von der Bertelsmann-Stiftung als eine der besten europäischen Universitäten ausgezeichnet.

Die rund 17000 Studierenden verteilen sich auf die Fächer Kunst, Mathematik und Naturwissenschaften, Sozialwissenschaften, Jura, Psychologie, Human- und Zahnmedizin. Unterrichtssprache ist Norwegisch, es gibt jedoch rund 15 Masterstudiengänge, in denen auch auf Englisch gelehrt wird.

Die Studierenden in Norwegen können ihr Studium in hohem Maße selbst bestimmen. Sie verbringen nur rund 27 Prozent ihrer Zeit in Vorlesungen und Seminaren, etwa 60 Prozent ihrer Zeit lernen sie selbstständig, oft in Gruppen. Hierfür stehen zahlreiche Leseräume zur Verfügung, die mit der wichtigsten Literatur ausgestattet sind.


Leserbriefe

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