TU intern - Mai 2000 - Forschung

Stiefkind Biomasse

Bei der energetischen Nutzung von Biomasse geht es um die Bereitstellung von Wärme, Elektrizität und Treibstoffen auf der Basis pflanzlicher Stoffe. Als Energieträger kommen unter anderem Naturholz, Restholz aus Waldpflege und -verjüngung, Landschaftspflegeholz, unbehandeltes Holz insbesondere aus der holzverarbeitenden Industrie, Stroh und andere landwirtschaftliche Reststoffe, speziell angebaute Energiepflanzen, aber auch behandelte Hölzer und andere verunreinigte biologische Abfälle in Frage. Angesichts dieser breiten Palette ist die Entwicklung standardisierter Energiewandler wesentlich anspruchsvoller als bei anderen Brennstoffen, insbesondere bei Fehlen von Produktstandards für die verschiedenen Stoffe.

Ohne solche Produktstandards kann es keine transparenten Biomasse-Märkte geben. Für Investoren fehlt damit noch eine solide Berechnungsgrundlage für die Kosten des Brennstoffbezugs sowie deren künftige Entwicklung, was wirtschaftlich betrachtet ein erhöhtes Versorgungs- und Investitionsrisiko darstellt. Nach unseren Systemanalysen war dies einer der Gründe für das bislang eingeschränkte Interesse an Anlagen zur Nutzung von Biomasse, trotz der inzwischen weit fortgeschrittenen Holzfeuerungstechnik, zum Beispiel für Holzhackschnitzel. Vor dem Hintergrund einer kostenlosen Bereitstellung von Hackgut durch Forstbesitzer oder holzverarbeitende Unternehmen kann keine nachhaltige Investitionsstrategie aufgebaut werden - bei wachsender Hackschnitzel-Nachfrage dürften die Anbieter versucht sein, in diesem Markt ein zusätzliches Wertschöpfungespotenzial zu erschließen, was mit langfristig höheren Biomasse-Kosten verbunden wäre.

Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz gelangen Holzfeuerungsanlagen bis 20 MW elektrischer Leistung ab sofort in den Genuss einer Mindeststromvergütung von 0,17 DM pro kWh Strom. Dadurch besteht erstmals in Deutschland die Chance zur Entwicklung von modernen Märkten für die energetische Verwendung von Biomasse. Wegen der geringen spezifischen Energiedichte von Holz - sie ist nur halb so groß wie diejenige von Braunkohle - und den dadurch bedingten Transportkosten werden solche Märkte zunächst lokalen Charakter haben, wobei waldreiche Gegenden mit einer entwickelten holzverarbeitenden Industrie an der Spitze stehen dürften.

Unbefriedigend ist die momentane Beschränkung der Biomasse-Förderung auf dem Bereich der Elektrizitätserzeugung, denn dadurch kann der technisch und energiewirtschaftlich sinnvolle Einsatz von Biomasse zur Wärmebereitstellung ins Hintertreffen geraten. In ganzheitliche Systemanalysen der energetischen Biomasse-Nutzung müssten auch die Treibstoffmärkte - Stichwort Biodiesel - einfließen. Die jüngsten energiepolitischen Weichenstellungen des deutschen Bundestags können im Hinblick auf die Biomasse also nur ein erster Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Energieversorgung sein.


Leserbriefe

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