TU intern - Mai 2000 - Internationales
Deutsch steht hoch im Kurs
Vor rund zehn Jahren, im Rahmen ihres Germanistikstudiums, kam
Li Yuan das erste Mal mit der deutschen Sprache in Berührung.
Heute beherrscht sie Deutsch perfekt und unterrichtet am "Deutschen
Sprachenzentrum der Zhejiang Universität" (Hangzhou/China).
Das Sprachenzentrum ist ein Kooperationsprojekt mit der Technischen
Universität Berlin und wurde vom "Arbeitskreis technologieorientiertes
Deutsch" 1984 ins Leben gerufen und aufgebaut.
Das Deutsche Sprachenzentrum an der Universität Zhejiang
ist das erste Projekt seiner Art in ganz China. Während in
der Regel nur chinesische Germanistikstudenten Deutsch lernen,
können am Deutschen Sprachenzentrum Studierende aller Ingenieurwissenschaften
neben ihrem Fachstudium Deutsch belegen, und zwar nicht so lala
nebenher, sondern drei Jahre lang mit festem Pensum. Die Nachfrage
ist groß und steigt jährlich. Nur die Hälfte der
Bewerber, die ausgezeichnete Leistungen in ihrem Fachstudium und
der ersten Fremdsprache Englisch nachweisen müssen, können
aufgenommen werden.
SPRACHE UND KULTUR
Warum haben chinesische Studierende so großes Interesse
daran, Deutsch zu lernen? "In den ersten Jahren haben sich
die meisten Studierenden beworben, um im Rahmen ihres Studiums
deutsche Fachliteratur lesen zu können", berichtet Li
Yuan. Inzwischen hat sich die Motivation geändert. "Wer
heute am Sprachenzentrum Deutsch lernt, plant, nach dem Studienabschluss
in China ein Studium in Deutschland aufzunehmen." Ein großer
Teil derjenigen, die in Deutschland ein zweites Studium aufgenommen
haben, werden wohl nach China zurückkehren und dann deutlich
bessere Berufschancen haben.
Das Besondere ist, dass der Unterricht auch von deutschen Muttersprachlern
gegeben wird. Das Angebot des Deutschen Sprachenzentrums erschöpft
sich jedoch nicht im Sprachunterricht. Daneben gibt es regelmäßig
ein umfangreiches deutsches Kulturangebot, das allen Studierenden
offen steht und viele anzieht. "Wir haben es uns zum Ziel
gesetzt, neben der Sprache auch ein Deutschlandbild zu vermitteln.
Deshalb bieten wir auch kulturelle Veranstaltungen", erzählt
Li Yuan.
Dazu trägt auch eine von den Studierenden am Sprachenzentrum
herausgegebene Zeitschrift bei, der "Wahrheitsvogel".
Er erscheint seit Dezember 1994 vier Mal im Jahr auf Deutsch.
Es widmet sich Themen aus China und aus Deutschland, will unterhaltsam
sein und aus dem Studentenleben berichten. Kein anderes Projekt
dieser Art hat es geschafft, so lange zu überleben.
ORTSTERMIN IN BERLIN
Um die deutsche Kultur besser vermitteln zu können, ist Li
Yuan für ein halbes Jahr im Rahmen eines Fortbildungsprogramms
der TU Berlin in Deutschland. Hier hat ihr Deutsch einen letzten
Schliff bekommen. Daneben nutzt sie die Möglichkeit, ihre
ehemaligen Studierenden, die jetzt in Deutschland sind, zu besuchen
und sich ihrer Probleme anzunehmen.
Zu kämpfen haben die chinesischen Studierenden hier in Deutschland
vor allem mit dem Universitätssystem. Die Freiheit, sich
ihren Stundenplan selbst zusammenzustellen, kennen sie von zu
Hause nicht. In China ist das Studium extrem verschult. "Zu
Beginn eines Studienjahres bekommen die Studierenden ihren Stundenplan
in die Hand gedrückt, der für alle eines Faches gleich
ist. Dann geht man von morgens bis zum späten Nachmittag
als Klasse von Vorlesung zu Vorlesung, von Übung zu Übung."
Da kann man sich vorstellen, dass sich die chinesischen Studierenden
in Deutschland etwas verloren vorkommen. Wenn Li Yuan im Sommer
wieder nach China zurückkehrt, will sie ihre Studierenden
besser auf ihren Deutschlandaufenthalt vorbereiten. "Ich
weiß jetzt aus eigener Erfahrung, was sie in Deutschland
erwartet."
Thomas Schulz
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