TU intern - Mai 2000 - Forschung

Vernunftehe statt Liebesheirat

Zum Stand der größten Fusion in der deutschen Forschungslandschaft


Ob sich GMD und FhG bei der Zusammenarbeit gegenseitig befruchten, wird die Fusion zeigen

Inzwischen ist in den Streit zwischen dem GMD Forschungszentrum Informationstechnik und der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) etwas Ruhe eingekehrt. Wie in der letzten Ausgabe von TU intern berichtet, stand die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingefädelte Fusion der beiden Forschungsorganisationen auf dem Spiel. Inzwischen haben sie eine Einigung erzielt. Während wir in der letzten Ausgabe aus der Sicht der GMD berichteten, soll dieses Mal der Standpunkt der FhG zu Wort kommen.

Von einem "Scherbenhaufen" sprach der Präsident der FhG, Prof. Hans-Jürgen Warnecke, auf der Jahrespressekonferenz seiner Organisation Mitte April, als er auf den Stand der Fusionsverhandlungen zwischen GMD und FhG angesprochen wurde. FhG-Vorstandsmitglied Dr. Dirk Meints Polter schwächte dieses Urteil mit der Bemerkung ab, eine Liebesheirat könne es nicht mehr werden, aber vielleicht reiche es ja noch zu einer Vernunftehe. Auf Seiten der FhG kann von Siegestaumel also keineswegs die Rede sein.

KOMPROMISSBEREITSCHAFT GEZEIGT

Die GMD, an deren Widerstand die Fusion zu scheitern drohte, hat am 7. April einen doch überraschenden Beschluss gefasst. Der Aufsichtsrat sprach sich bei nur einer Enthaltung einstimmig für die Fusion aus. Überraschend ist dieser Beschluss, weil auch die Vertreter der Mitarbeiter für die Fusion stimmten, die bislang gegen das Zusammengehen mit der FhG gewettert hatten.

In der Zwischenzeit hat auch das BMBF einen Kompromiss angeboten: Die Fusion wird um ein Jahr auf den 1. Januar 2002 verschoben und soll von einem externen Moderator begleitet werden. Dieser soll bis zum 15. September 2000 Empfehlungen zur Kooperation einschließlich der damit zusammenhängenden Fragen der Finanzierung und der gemeinsamen Ziele im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie vorlegen. Des Weiteren sind gemeinsame Kooperationsprojekte in Vorbereitung, um die Institute von GMD und FhG enger zusammenzuführen.

GLEICHE WETTBEWERBSBEDINGUNGEN

Ziel dieses Kompromisses sei es, so Herbert Weber, Professor für Computergestützte Informationssysteme an der TU Berlin und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST), die Institutsleiter und die Mitarbeiter beider Forschungsorganisationen stärker in den Fusionsprozess einzubinden. Trotz dieser positiven Beschlüsse ist Herbert Weber skeptisch, ob die Fusion überhaupt noch zustande kommt. "Inzwischen sind einfach zu viele Emotionen im Spiel."

Beim Thema Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf. Und an dieser Front wird der Streit noch eine Weile schwelen. Während die FhG ihre Forschungsgelder zu 2/3 im Wettbewerb hereinbekommen muss, kann sich die GMD auf eine 80-prozentige staatliche Grundfinanzierung stützen. Der Wettbewerb etwa um Forschungsgelder, in dem die FhG steht, sei hart, manchmal zu hart - aber, wie Herbert Weber bekräftigt, "Wissenschaft lebt nun mal vom Wettbewerb um die besten Ideen und die besten Ergebnisse, dem müssen sich alle in gleicher Weise stellen. Und dieser Wettbewerb gilt auch für die Einwerbung von Drittmitteln für die Grundlagenforschung etwa bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und wird auch auf die GMD zukommen."

Der FhG gehe es einzig darum, so Herbert Weber, dass GMD und FhG nach ihrer Fusion gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Das Finanzierungsmodell der GMD müsste nach einer Fusion dann eben auch für die FhG gelten. "Natürlich würden wir uns darüber freuen, wenn die Bundesregierung unsere Grundfinanzierung aufstocken würde. Dazu wird sie aber wohl nicht bereit sein." Letztendlich gehe es darum, den Wettbewerb so zu organisieren, dass er auch die GMD einschließt. Hier sei das BMBF gefragt.

FUSION UM JEDEN PREIS?

Über die Rolle des BMBF ist sich Herbert Weber nicht ganz im Klaren. In der ersten Phase habe das BMBF Druck auch auf die FhG ausgeübt, das Fraunhofer-Modell nach einer Übergangsphase von fünf Jahren auf die GMD zu übertragen. Zwischenzeitlich habe das BMBF wohl eingesehen, dass das nicht so ohne weiteres zu machen sei. Und heute? "Mein Eindruck ist, dass es nur noch darum geht, die Fusion auf jeden Fall durchzusetzen."

Konzeptionslosigkeit auf allen Seiten räumt Herbert Weber ein. Leider habe man es verpasst, die Rolle von GMD und FhG im nationalen und internationalen Forschungsmarkt zu bestimmen. Dabei könne es nicht darum gehen, die unterschiedlichen Forschungsansätze von GMD und FhG gegeneinander auszuspielen. Während die GMD in ihrer Grundlagenforschung einen eher erkenntnisorientierten, frei assoziierenden Ansatz verfolgt, hat die FhG einen Ansatz, nach dem auch die Grundlagenforschung eher durch praktische Notwendigkeit inspiriert wird. "Beide Ausrichtungen haben zweifelsohne ihre Berechtigung."

Thomas Schulz


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