TU intern - Mai 2000 - Aktuelles

Die Kunden gucken in die Röhre

Kein Preissturz durch die Liberalisierung des Gasmarktes


Den Anteil am gesamtberliner Wärmemarkt von 34 % möchte die GASAG auf 50 % ausbauen

Nachdem der Strommarkt liberalisiert worden ist, steht nun auch eine Liberalisierung des Gasmarktes an. Einer Richtlinie der Europäischen Union zufolge müssen die Mitgliedsstaaten bis zum 10. August dieses Jahres mit der Öffnung ihrer Märkte beginnen. Staaten wie Großbritannien oder Schweden haben die Marktöffnung bereits vor Jahren vollzogen. Den Kunden in Großbritannien beispielsweise bescherte das einen deutlich niedrigeren Gaspreis.

In Deutschland steht die Liberalisierung des Gasmarktes bevor. Nach langen und zähen Verhandlungen haben sich Gaswirtschaft sowie Industrie und kommunale Unternehmen inzwischen auf die Eckpunkte über einen freien Netzzugang geeinigt. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller begrüßte die Vereinbarung als "Startschuss für die praktische Öffnung des Gasmarktes", auch zum Vorteil für die Verbraucher. Doch die Privatkunden werden sich in Geduld üben müssen.

Gestritten wurde vor allem darüber, zu welchen Konditionen die Versorgungsunternehmen Gas ihrer Konkurrenten durch die eigenen Netze leiten wollen. Denn Unternehmen wie Ruhrgas befürchten, durch die Liberalisierung zwischen die Stühle zu geraten. Auf der Produzentenseite bestimmen die Lieferländer Russland, Norwegen und die Niederlande die Gaspreise in Deutschland. Zugleich baut sich bei den Abnehmern durch Konzentration auf der Verteilerstufe eine neue Gegenmacht auf, etwa durch die Fusion der Energiekonzerne RWE und VEW.

Den Endverbraucher dürfte zu allererst der Preis interessieren. Und der ist in Deutschland noch an den Heizölpreis gekoppelt. Dieses so genannte Prinzip des anlegbaren Preises gilt seit den siebziger Jahren.

Als Begründung wird von der Gaswirtschaft Folgendes angeführt, wie Christian Nabe vom TU-Institut für Technologie und Management, Fachgebiet Energie- und Rohstoffwirtschaft, erläutert: "Als Erdgas verstärkt in den deutschen Markt einzudringen begann, war das Heizöl auf dem Wärmemarkt für den Verbraucher überwiegend die günstigste Energie. Entsprechend wurde der anlegbare Preis in der Regel anhand der Heizölkosten errechnet. Neben der Preisfindung zu einem Stichtag stellte sich für die Gaswirtschaft das Problem der Ausgestaltung des längerfristigen Preispfades. Erdgasverträge mit den Produzenten können angesichts des hohen langfristig gebundenen Investitionsvolumens nur in Zeiträumen von etwa 20 bis 25 Jahren abgeschlossen werden. So waren bei Abschluss von Verträgen auch Vereinbarungen über den Preisverlauf während der Vertragslaufzeit zu treffen. Das Ergebnis war die Heizölbindung. Der verstärkte Einsatz von Gas zur Stromerzeugung könnte jedoch dazu führen, dass diese Preisbindung langfristig entfällt."

Die Preise bestimmen daher in erster Linie die Förderländer. Die heimischen Verteilerunternehmen wie die GASAG können nur durch Kostensenkungspotenziale auf den Gaspreis Einfluss nehmen. So konnte die GASAG ihre Preise in den vergangenen Jahren um rund 30 Prozent senken; seit dem 1. April dieses Jahres muss der Kunde allerdings wieder drauf zahlen. Die GASAG verfügte eine Preiserhöhung von 10 Prozent - ein moderater Schritt, vergleicht man die Entwicklung des Ölpreises der letzten Monate.

Im Prinzip will die GASAG an ihrer Strategie festhalten, erschlossene Kostensenkungspotenziale an die Kunden weiterzugeben. Durch "Kundenfreundlichkeit, hervorragenden Service und innovative Angebote" will die GASAG ihren Anteil am Berliner Wärmemarkt von derzeit 35 Prozent auf 50 Prozent ausbauen und die Nummer eins bleiben.

Die Liberalisierung fürchtet die GASAG nach eigenen Angaben nicht. "Wir sind selbstverständlich darauf vorbereitet, Gas von anderen Anbietern durch unsere Netze zu leiten." Aber wer insgeheim hofft, dass die Preise wie nach der Liberalisierung des Strommarktes einbrechen werden, der wird sich enttäuscht sehen. Die Gaswirtschaft rechnet zumindest derzeit nicht mit einem Preissturz für die Privatkunden. Sie werden auf nächstes Jahr vertröstet.

Thomas Schulz

Zum Thema "Folgen der Deregulierung der Gasmärkte" hält das Vorstandsmitglied der GASAG, Dr. Rudolf Schulten, am 5. 6. 2000 einen Vortrag an der Technischen Universität Berlin. Ort: Hauptgebäude, Straße des 17. Juni 135, Raum H 111. Zeit: 16.00 Uhr c.t.


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