TU intern - Mai 2000 - Forschung

Schubladendenken bremst die Entwicklung von Solar- und Geothermie


Die Zukunft liegt in einer Kombination von Solar- und Geothermieanlagen

Das Grundprinzip der thermischen Solarnutzung dürfte inzwischen bekannt sein. Auf immer mehr Gebäuden finden sich die schwarz glänzenden Dachkollektoren, in denen die Sonne ein Trägermedium (meist Wasser) erwärmt. Der Bau solcher Anlagen liegt derzeit unter den Erwartungen. Beispielsweise wurde die entsprechende Selbstverpflichtung der Berliner Wirtschaft ("Klimaschutzpartner Berlin") in 1999 verfehlt - den Investoren ist eine solargestützte Wärmeversorgung offensichtlich noch zu teuer.

PREISWERTE ANLAGEN

Da die Anlagenkomponenten heute wesentlich preiswerter und vor allem zuverlässiger geworden sind, liegt der geringe Markterfolg vor allem an der zeitlichen Gegenläufigkeit zwischen der Nachfrage nach Niedertemperaturwärme und dem Solarwärmeangebot, insbesondere bei der Wärmeversorgung von Wohnungen. Wenn die Solaranlage auf den Wärmebedarf in der Sommerperiode ausgelegt wird, sind keine hohen solaren Jahresdeckungsraten - und damit keine hohen Einsparungen beim konventionellen Brennstoff - zu erreichen.

Werden die Solaranlagen auf größere Leistungen ausgelegt, muss für die im Sommer nicht verwendbare Wärme ein saisonaler Speicher zur Verfügung gestellt werden. In mehreren öffentlich geförderten Projekten wurde in den letzten Jahren die technische Machbarkeit solcher saisonaler Wärmespeicher nachgewiesen. Doch werden die Investitionen in Solaranlage, Speicher, Peripherie und Steuerung sowie die Betriebskosten eines solchen Systems auf die genutzte Solarwärme umgelegt, ergeben sich Preise von nicht unter 150 Euro/MWh. Dies ist etwa dreimal so viel wie der Wärmepreis einer konventionellen Erdgasheizung.

Ein Konzept zur Überbrückung dieser Differenz liegt in der Koppelung der Solaranlage mit einer geothermischen Tiefensonde. Durch wechselseitigen Betrieb beider Systeme können insgesamt hohe regenerative Deckungsraten erzielt werden. Die Solaranlage kann darüber hinaus die Geosonde bei ihrer Regenerationsphase im Sommerhalbjahr unterstützen und damit eine langfristige Degradation der geothermischen Wärmequelle unterbinden. Mit einer Solaranlage könnte eine geothermische Wärmequelle dauerhaft höhere Deckungsbeiträge liefern.

Im vergangenen Jahr wurde in einer wissenschaftlichen Untersuchung in Zusammenarbeit mit einem Berliner Wärmeversorger die prinzipielle Machbarkeit eines solchen Konzepts nachgewiesen. Mit Hilfe der an der TU Berlin entwickelten Simulationsumgebung "SMILE" wurde das Konzept für eine fiktive Wärmeanschlussleistung von 4 MW durchgerechnet, wobei für dieses Fallbeispiel eine Kollektorfläche von 5500 m2 sowie eine geothermische Tiefensonde von 3000 m unterstellt wurde. Mit dieser Konfiguration können 44 Prozent des unterstellten Jahreswärmebedarfs (Heizwärme und Warmwasser) regenerativ gewonnen werden.

Ein konventioneller Spitzenkessel deckt den verbleibenden Wärmebedarf ab und dient zur Absicherung gegen eventuelle Ausfälle. Auf der Basis eingeholter Angebote müssten für das untersuchte System heute etwa 6 Millionen Euro investiert werden. Zusammen mit den Kosten für Brennstoff, Pumpstrom und sonstige Betriebskosten errechnet sich ein Vollkostenpreis von rund 90 Euro/MWh (Wärmemischpreis).

OPTIMIERUNGSPOTENZIALE

Dies ist zwar immer noch das Doppelte einer konventionellen Wärmeversorgung, doch sehen wir noch beträchtliche Optimierungspotenziale, etwa durch eine verbesserte Auslegung und Abstimmung der innovativen und konventionellen Komponenten. Wie bei vielen regenerativen Energiesystemen ist zudem die Regelung noch unausgereift und bietet daher Kostensenkungspotenziale. Fortschritte sind hier jedoch erst möglich, wenn an konkreten Anlagen Erfahrungen gesammelt werden können. Weitere Kostensenkungen wären bei einer Serienfertigung möglich - allein die Kosten der Tiefenbohrung könnten in diesem Fall um mindestens 30 Prozent gesenkt werden.

An diesem Beispiel wird deutlich, dass es bei entsprechendem (Kapital-)Engagement möglich wäre, einen bedeutenden Teil der Wärmeversorgung zu nahezu wettbewerbsfähigen Kosten regenerativ bereit zu stellen. Allerdings müsste dazu das Schubladendenken - hier die Solarenergie, dort die Geothermie - zugunsten unkonventioneller Lösungsansätze verlassen werden.


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