TU intern - November 2000 - Aktuelles
Nachgefragt
Der Generationenvertrag - ein Auslaufmodell?
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"Die Pläne der zusätzlichen privaten Altersvorsorge
sind deshalb nahezu skandalös, weil die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer die Beiträge allein aufbringen müssen
und die Arbeitgeber entlastet werden." Thomas Schubert
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Die Rentendebatte geht in die entscheidende Runde. Mitte November
will Arbeitsminister Walter Riester seinen Entwurf für eine
Reform der Rentenversicherung ins Kabinett einbringen. Neben der
Sicherung des Rentenbeitrages auf einem Niveau von 20 Prozent
bis 2020 sieht das Konzept des Ministers den Aufbau einer zusätzlichen
privaten Altersvorsorge bis 2008 vor, die von den Arbeitnehmern
allein aufgebracht werden soll. Die Vorstellungen Walter Riesters
stoßen auf scharfe Kritik, nicht nur bei der Opposition
und den Gewerkschaften, sondern auch bei den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern.
Sind die Pläne, die jetzt auf dem Tisch liegen, geeignet,
das Rentensystem langfristig zu sichern? Darüber sprach TU
intern mit Thomas Schubert, Dozent am Fachbereich Sozialversicherung
der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.
Herr Schubert, ist das Rentenmodell der Bundesrepublik Deutschland,
das auf einem Generationenvertrag beruht, ein Auslaufmodell?
Das zentrale Problem ist: Die Geburten nehmen bei gleichzeitig
steigender Lebenserwartung ab, sodass sich die Relationen zwischen
Jung und Alt verändern. Folglich müssen immer weniger
Beitragszahler für einen Rentner aufkommen. Diesen demographischen
Veränderungen ist die bisherige Rentenformel nicht mehr gewachsen.
Es gibt aber noch weitere Gründe dafür, dass das bisherige
Rentenmodell bzw. dessen Finanzierung an seine Grenzen stößt:
zum einen die hohe Arbeitslosigkeit, die die Einnahmen der gesetzlichen
Rentenversicherer erheblich mindert, zum anderen der Trend zur
Rente mit sechzig, um nur ein Beispiel aus dem gesamten Komplex
des vorzeitigen Ruhestandes zu nennen. Den Generationenvertrag
sollten wir aber nicht in Frage stellen. Vielmehr müssen
wir zu einer neuen Verteilung der Lasten kommen, an der alle Generationen
beteiligt werden sollten. Das Sichern von Besitzständen ist
parteipolitisch zwar verständlich, hilft in der Sache aber
kaum weiter.
Was kommt auf die junge Generation zu, sollte sich Walter Riester
mit seinem Rentenkonzept durchsetzen? Was erwartet die heutigen
und künftigen Rentner?
Das Konzept Riesters ist von einer gerechten Generationenverteilung
weit entfernt. Die Rentenbeiträge sollen zwar bis 2020 die
20-Prozentmarke und bis 2030 die 22-Prozentmarke nicht überschreiten.
Rechnet man die zusätzliche private Altersvorsorge, die bis
2008 vier Prozent betragen und von den Arbeitnehmern allein aufgebracht
werden soll, hinzu, ergibt sich eine Rentenlast von 24 bzw. 26
Prozent für die heutigen Beitragszahler. Demgegenüber
wird die ältere Generation nur gering belastet, obwohl es
gerade ihr so gut geht wie nie zuvor. Ziel ist es, das Rentenniveau
im Jahre 2030 bei 64 Prozent zu stabilisieren. Erreicht werden
soll dies durch eine langsamere Rentenanpassung - die Nettoanpassung
wird letztendlich aufgegeben - und durch einen so genannten Ausgleichsfaktor
von 0,3 Prozent ab 2011. Ausgleichsfaktor heißt: Die Rente
wird um 0,3 Prozent "gekürzt", ein Betrag, der
durch die private Vorsorge wieder aufgefüllt wird. Wer bis
2011 in Rente geht, wird von Einschnitten verschont.
Was bedeutet der Aufbau einer privaten Altersvorsorge für
das System Rentenversicherung?
Die Pläne der zusätzlichen privaten Altersvorsorge sind
deshalb nahezu skandalös, weil die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer die Beiträge allein aufbringen müssen und
die Arbeitgeber entlastet werden. Immerhin fließt die private
Vorsorge nicht in die gesetzliche Rentenversicherung, sondern
bleibt das eigene Vermögen. Der Gesetzgeber verabschiedet
sich hier von der paritätischen Finanzierung. Das ist ein
einmaliger Vorgang, seit es die Rentenversicherung gibt, und ein
ganz klarer Systemwechsel. Die Kritiker dieser Regelung sehen,
durchaus berechtigt, die Gefahr, dass der Gesetzgeber künftig
weitere Beitragslasten allein den Arbeitnehmern aufbürdet.
Das Gespräch führte Thomas Schulz
http://www.rentenreform-site.de
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