TU intern - November 2000 - Hochschulpolitik
Das Glück der Nähe bedarf der Steuerung
Senator Stölzl lud zur Expertenanhörung zum Thema
Landeshochschulrat ein
Christoph Stölzl sprach vom "Glück der Nähe",
das den Berliner Hochschulen beschieden sei. Ob dieser Umstand
eher zur Fröhlichkeit (auch ein Schlagwort des Senators)
führt oder doch nur Frust erntet, bleibt noch abzuwarten.
Noch kein grünes Licht für die Einrichtung eines Berliner
Landeshochschulrats |
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Nach dem Paukenschlag des Wissenschaftsrates
mit seinem Gutachten über die Berliner Hochschullandschaft
im Mai traf man sich nun zu einem Erfahrungsaustausch. Denn dieses
"Glück der Nähe" bedarf auch der Steuerung,
die in anderen Ländern bereits in feste organisatorische
Formen gefügt ist. Und genau das ist der wunde Punkt in Berlin,
auf den damals der Wissenschaftsrat seinen Finger legte. Als empfohlenes
Heilmittel verwies das Beratergremium auf einen Landeshochschulrat
als Steuerungsgremium für die Hochschulen und gleichzeitig
auf den auswärtigen Sachverstand, der damit in die Diskussions-
und Entscheidungsrunden käme.
Am 25. Oktober hatte Berlins Wissenschaftssenator Hochschulexperten
ins beschauliche Japanisch-Deutsche Zentrum
nach Berlin-Dahlem eingeladen. Auf der Tagesordnung standen Erfahrungsberichte
über Hochschulräte und Kuratorien aus Bayern, Sachsen
und Berlin. In einer zweiten Runde wurden weitere Beispiele von
Landeshochschulräten diskutiert.
VERNÜNFTIGE BALANCE
Die zentralen Fragen wie auch Bedenken formulierte Christoph Stölzl
schon zu Beginn: Der Prozess müsse zu einer vernünftigen
Balance zwischen professionellem Management und individueller
Freiheit führen. Dieser Spagat tangiert vor allem auch die
Frage nach der internen Hochschulsteuerung und die nach der Befugnis
eines solchen Rates. Soll er beratend oder auch entscheidend in
die Politik eingreifen? Wolle man einen Hochschulrat auch in der
Hauptstadt, so der Senator, stünde am Ende dieses Nachdenkens
die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes zu einem schlagkräftigen
und schlanken Gesetz.
Die Vertreter aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen zogen
durchaus positive Bilanzen. Ministerialdirigent Hans-Jürgen
Müller-Arens umschrieb die Stimmung in Baden-Württemberg
mit leichtem Humor, in dem sich bekanntlich auch die Wahrheit
spiegelt: "Da wir sie nun einmal haben, wollen wir sie auch
lieben." Dabei ist Baden-Württemberg aber auch eine
Ausnahme: Die Hochschulräte entscheiden über Entwicklungs-
und Strukturfragen sowie über den Zuschnitt von Professorenstellen.
In den anderen Ländern sind sie beratend tätig. Aus
Berlin, wo es bekanntlich acht Kuratorien bereits gibt, einige
von ihnen in neuer Besetzung mit externen Fachleuten, wurde von
unterschiedlichen Erfahrungen berichtet. Ex-Bahnchef Dr. h.c.
Heinz Dürr schilderte sehr deutlich seine negativen Erfahrungen
im Kuratorium der FU Berlin.
Er wisse nicht, warum er bei Sitzungen dabei sein müsse,
wenn sich eine Studentin mit dem Präsidenten über formale
Dinge streitet. Er fühle sich in solchen Situationen eher
als Feigenblatt und nicht als nützlicher Berater an einer
wichtigen Stelle im Hochschulsystem.
ZUSAMMENSETZUNG DES GREMIUMS
Lähmende Diskussionen über Tagesordnungspunkte und viele,
zu viele Vorlagen machen den Unterschied zur Wirtschaft deutlich.
"Das hat nichts mit strategischem Denken zu tun", so
Heinz Dürr. Den Webfehler sehe er denn auch in der Zusammensetzung
des Gremiums. Damit formulierte er einen Wunsch, den viele Anwesenden
teilten: Einig waren sie sich, dass sowohl ein Landeshochschulrat
als auch ein Hochschulrat nicht mit Vertretern aus der Hochschule
selbst, aus Parteien, Ministerien und gesellschaftlichen Gruppen
besetzt sein dürfte. Es müssten vielmehr Personen gewonnen
werden, die von außerhalb kommen und nicht in die Interessen
innerhalb der Hochschule eingebunden sind.
Ein positives Beispiel brachte Dr. Norbert Bensel, Vorstand bei
debis DaimlerChrysler, aus
dem neuen Kuratorium der Humboldt-Universität
an. Er betonte vor allem, dass solch eine Expertenrunde ähnlich
einem Aufsichtsrat funktionieren müsse. Voraussetzung dafür
sei auch eine versierte Geschäftsstelle, die die Arbeit im
Hintergrund professionell vorbereiten und organisieren müsse.
Norbert Bensel wie auch andere anwesende Hochschulvertreter lehnten
jedoch eine weitere Beratungs- bzw. Entscheidungsebene in Form
eines zentralen Landeshochschulrates für Berlin ab. Ein Vorteil
sei nicht erkennbar, so Bensel. Damit blieb man zumindest für
diese Expertenanhörung die Antwort auf Steuerungsmöglichkeiten
zumindest auf zentraler Ebene schuldig.
Stefanie Terp
Leserbriefe
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