TU intern - November 2000 - Aktuelles
Müssen wir in Zukunft wirklich noch selbst denken?
Die Gehirnforscherin Susan A. Greenfield hält die Queen's Lecture 2000
Am 14. Dezember findet an der TU Berlin die traditionelle Queen's
Lecture statt. Zu Gast ist in diesem Jahr die britische Gehirnforscherin
Susan A. Greenfield. In ihrem Vortrag "The Brain of the Future2
spricht sie über die Veränderungen, die aufgrund der
Fortschritte in den Neurowissenschaften in den nächsten Jahren
auf das Gehirn und Bewusstsein des Menschen zukommen.
... am schönsten ist es eigentlich immer am Anfang. Denn
am Beginn jeder Queen's Lecture liest der britische Botschafter,
Paul Lever, einen persönlichen Brief der britischen Königin
vor, in dem sie die Gäste herzlich willkommen heißt
und sich wortreich für die eigene Abwesenheit entschuldigt.
Wenn dann zum Schluss des Briefes die wohl bekannten Worte "Sincerely
yours-Elisabeth" erklingen, ist man auf den weiteren Verlauf des
Abends bestens eingestimmt.
In diesem Jahr steht die Queen's Lecture, die vom British Council
großzügig unterstützt wird, ganz im Zeichen des
Gehirns. Die britische Pharmakologie-Professorin Susan A. Greenfield
nimmt die Zuhörer mit auf eine Reise durch das menschliche
Denkorgan. In ihrem Vortrag "The Brain of the Future" erläutert
sie, wie das Gehirn aufgebaut ist, wie es funktioniert, wie menschliches
Bewusstsein entsteht und wie sich das Gehirn in der Zukunft entwickeln
könnte.
Im Verlauf der Evolution hat sich die Umwelt des Menschen tief
greifend verändert, so auch ihre Einflüsse auf das menschliche
Bewusstsein. Auf der anderen Seite ist das Gehirn des Menschen
seit 30000 Jahren unverändert geblieben. Jetzt jedoch, so
Greenfields provozierende These, werde sich aufgrund der Fortschritte
in den Neurowissenschaften die Arbeitsweise des Gehirns und damit
das Bewusstsein radikal verändern: Die Kartierung des menschlichen
Genoms verdeutlicht die Funktionszusammenhänge im Gehirn.
Der erleichterte Transfer zwischen Kohlenstoff- und Siliciumsystemen,
zwischen menschlichen Zellen und Mikrochips, macht Implantate
möglich, die Krankheiten heilen und vielleicht die Kapazität
des menschlichen Gehirns erweitern können. Durch fortgeschrittene
Techniken der Körperkühlung und -konservierung rücken
Gehirntransplantationen in greifbare Nähe, und nicht zuletzt
sorgt der gesteigerte Verbrauch von sowohl verschriebenen als
auch verbotenen Designerdrogen für eine Veränderung
der Wahrnehmung. Das menschliche Gehirn, so scheint es, wird mehr
und mehr zu einem bloßen Speicher, den man beliebig mit
Informationen bestücken und nach Bedarf erweitern oder stimulieren
kann. Was jedoch geschieht dann mit dem menschlichen Bewusstsein?
Wird auch dies in Zukunft eine Frage des Up- and Downloads sein,
oder ist es vielleicht doch viel mehr?
"Wenn Susan Greenfield unser Schädelinneres wie ein
Buch aufschlägt und uns darin blättern und lesen lehrt,
sind wir überwältigt von all dem, was Homo sapiens mit
seinem singulären Denkorgan zustande bringt - und was vielleicht
noch kommt, wenn er besser begriffen hat, wie er lernt."
Barbara Sichtermann
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Susan A. Greenfield wurde am 1. Oktober 1950 in London geboren.
Ihr Studium an der Universität Oxford
schloss sie 1977 mit einer Promotion im Fach Pharmakologie ab. Danach
folgten Stipendien und Forschungsaufenthalte an Universitäten
im In- und Ausland, unter anderem am Collège de France
und am Institut für Neurowissenschaften an der Universität La Jolla,
USA. 1995 erhielt Susan A. Greenfield den Gresham Chair of Physic
in London, seit 1996 ist sie Professorin für Pharmakologie
an der Universität Oxford. Seit 1998 ist sie darüber
hinaus Direktorin der Royal Institution of Great Britain.
Zu Beginn des Jahres wurde sie zum Commander of the Order of the
British Empire (CBE) ernannt. Mit ihren Büchern und Radiobeiträgen
setzt sich Susan A. Greenfield für ein breiteres öffentliches
Verständnis der Wissenschaften (public understanding of science)
ein. 1994 hielt sie als erste Frau den Weihnachtsvortrag der Royal
Institution of Great Britain. Seitdem hat sie vielfältige
Fernseh- und Radiosendungen sowie Bücher zur Gehirnforschung
veröffentlicht. Ihr Buch "The Human Brain: A guided Tour" (Basic
Books, 1998) stand mehrere Monate auf den britischen Bestsellerlisten.
Mirjam Kaplow
Literatur zum Thema Gehirnforschung
http://www.britishcouncil.org/science/science/personalities/text2/women/greenfield.htm
http://www.pharm.ox.ac.uk/ac/greenfield.htm
Die diesjährige Queen's Lecture findet am 14. Dezember um
17.00 Uhr im Audimax der TU Berlin statt. Der Eintritt ist frei.
Weitere Informationen erteilt das Referat für Außenbeziehungen
der TU Berlin, Tel: 314-2 56 78.
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