TU intern - Oktober 2000 - Internationales

In den USA ist alles viel leistungsorientierter

Ein Aufenthalt an der University of Michigan in Ann Arbor

Nach dem Besuch des Infotreffs Mitte November blieben gerade noch ein paar Wochen Zeit, um die Unterlagen zusammenzustellen und die Bewerbung einzureichen. Olaf Kolk hat die Hürde des Auswahlverfahrens der TU Berlin genommen und an der University of Michigan Mechanical Engineering studiert.

Als das Auswahlverfahren an der TU Berlin überstanden war, ging die Arbeit, die bis dahin schon nicht gerade gering war, erst richtig los: Die Bewerbung muss formal zwar beim Akademischen Auslandsamt der TU Berlin eingereicht werden, es empfiehlt sich aber, möglichst frühzeitig mit der University of Michigan Kontakt aufzunehmen. Immer wieder musste dieses oder jenes Schriftstück nachgereicht werden - über den Atlantik dauerte das so seine Zeit, und der Flugtermin rückte immer näher.

Einmal in Ann Arbor angekommen, ist das Organisatorische vor Ort schnell erledigt. Nachdem ich die erste Nacht im Hotel verbracht hatte, konnte ich am nächsten Tag mein Appartement beziehen. Möbel kann man sich für 60 Dollar im Monat mieten oder auf einem der vielen garage sales erwerben. Mein Appartment lag nur zehn Fußminuten vom North Campus entfernt.

Die Anlaufstelle in den ersten Tagen war das International Center, das sein Büro in der Michigan Union, dem Hauptgebäude des Central Campus, hat. Hier erhielt ich ein Willkommenspaket, das beispielsweise Hinweise auf die zahlreichen Veranstaltungen enthält, die für die Neuangekommenen täglich stattfinden. Und hier lernte ich meine ersten Kommilitonen kennen - Studierende aus allen Teilen der Welt. Amerikanische Kommilitonen organisieren Campusführungen und machen einen mit den wichtigsten Gebäuden und Offices vertraut.

Das College of Engineering, an dem ich studiert habe, bildet das Herz des North Campus. Als Arbeitsplatz und Informationsquelle dient die Media Union, die rund um die Uhr, sieben Tage die Woche geöffnet hat. Neben einer umfangreichen Bibliothek und Konferenzräumen stehen rund 3000 Computer aller Art zur Verfügung. Trotzdem muss man selbst samstagabends um elf eine Weile suchen, um eine freie Workstation zu finden - der Aufwand der einzelnen Kurse ist so hoch, dass viele Studenten (mich eingeschlossen) regelmäßig bis tief in die Nacht für ihr Studium arbeiten.

Das Studium an der University of Michigan unterscheidet sich ganz erheblich von dem an der TU Berlin. Wer beispielsweise einfach nur die Vorlesungen besucht und sich um den Stoff weiter nicht kümmert, wird schon in der zweiten Woche den Durchblick verlieren. Mit anderen Worten: Die Nachbereitung ist sehr wichtig, Hausaufgaben haben einen enormen Umfang und können nur selten ohne Computer gelöst werden - man sitzt jeden Tag viele Stunden vor dem Bildschirm. Darüber hinaus gibt es Projekte, die in Teams bearbeitet und präsentiert werden müssen.

Interessant war die Erfahrung, dass meine amerikanischen Kommilitonen meistens zwar wussten, wie sie ein Problem lösen sollten, nicht aber, warum gerade der gewählte Weg sie zur Lösung führte. Durch die analytisch geprägten Vorlesungen an der TU Berlin konnte ich an solche Aufgaben anders herangehen. Andererseits habe ich an der University of Michigan gelernt, die Theorie anzuwenden. Und: Die Professoren ließen ihre neuesten Forschungsergebnissen gleich in ihre Vorlesungen einfließen.

Aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes wollte jede Stunde des Tages wohl geplant sein. Es gab erstaunlich wenige Momente, in denen ich einfach mal eine Stunde nichts getan habe. Auf dem Campus in der Sonne liegen war einfach nicht drin. Blieb da Raum für Freizeit? Wenn ich unter der Woche konzentriert arbeitete, war wenigstens der Sonntag frei, den ich oft nutzte, um mit Freunden einen Ausflug in den landschaftlich besonders reizvollen Norden von Michigan zu unternehmen.

Fazit: Der Aufenthalt an der University of Michigan ist mit Sicherheit kein Erholungsurlaub, aber die Kombination vom analytisch geprägten deutschen Studium und numerisch orientierten amerikanischen sind die beste Voraussetzung für den beruflichen Erfolg - sowohl an der Uni als auch in der Industrie.

Olaf Kolk


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