TU intern - Oktober 2000 - Internationales
Umweltforschung in der Tiefsee
TU-Wissenschaftler zu Gast auf einem Forschungsschiff der VR
China
Zentralpazifik, südöstlich von Hawaii, 9. August
1999: Das "Schiff Nr. 1" der chinesischen Forschungsflotte
stampft mit 13 Knoten in Richtung "Manganknollengürtel",
als kurz nach dem Frühstück der Bordmeteorologe dem
Kapitän die schlechte Nachricht überbringt: Ein Taifun
nähert sich mit großer Geschwindigkeit von Osten! Der
Kapitän gibt sofort den Befehl zum Abdrehen in Richtung Südwesten,
aber kaum ist das neue Zielgebiet erreicht, zwingt der nächste
Taifun auch hier zum Kurswechsel. So begann für Bernd Grupe
und Michael Maggiulli vom Institut für Technischen Umweltschutz
der TU Berlin eine mehrwöchige Expedition auf einem chinesischen
Forschungsschiff.
Zwei Taifune gleich nach dem Auslaufen - keine guten Vorzeichen
für eine erfolgreiche Erforschung der Umweltbedingungen am
Ozeanboden etwa 5 km unter dem Kiel des weißen Dampfers,
aber zum Glück sollten die beiden Taifune zu Beginn der Fahrt
die einzigen bleiben, wenn auch tropischer Dauerregen in den folgenden
Wochen wider Erwarten das Wetter bestimmte.
LAGERSTÄTTEN DER ZUKUNFT
Polymetallische Rohstoffe am Meeresboden wie die nickel- und kupferreichen
Manganknollen des zentralen und östlichen Pazifiks, die in
Wassertiefen von 4000-5300 m riesige Flächen der Tiefsee-Ebenen
bedecken, gehören zu den wichtigsten Lagerstättenvorkommen
der Zukunft. Um eine umweltverträgliche Gewinnung dieser
Metallreserven zu garantieren, schreibt das Internationale Seerechtsübereinkommen
der Uno umfassende Untersuchungen zur nachhaltigen Umweltverträglichkeit
eines künftigen Meeresbergbaus vor. In diesem Zusammenhang
fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) internationale Kooperationsprojekte. Ziel ist es, die wissenschaftlich-technischen
Kapazitäten der am Tiefsee-Bergbau interessierten Staaten
synergetisch zu nutzen und die erzielten Ergebnisse gemeinsam
zu verwerten.
Ein solches Projekt ermöglichte es zwei Geologen des Arbeitsgebietes
Wasser-, Umwelt- und Meeres-Forschung/-Technik, angesiedelt am
Institut für Technischen Umweltschutz der TU Berlin, Bernd
Grupe und Michael Maggiulli, vor gut einem Jahr im Rahmen der
Wissenschaftlich-Technischen Zusammenarbeit mit der Volksrepublik
China an einer Expedition des Forschungsschiffs "Dayang Yihao"
in die chinesischen Anspruchsgebiete südlich und südöstlich
von Hawaii teilzunehmen. Die Forschergruppe von der Schleuseninsel
im Tiergarten, die bis 1994 zur Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau
gehörte, kann auf mehr als 20 Jahre Forschungserfahrung in
Sachen Gewinnung von Manganknollen aus der Tiefsee zurückblicken.
Einsatz auf einem chinesischen Forschungsschiff bei tropischem
Dauerregen |
|
GEWINNUNG DER ERZKNOLLEN
Nachdem die Berliner Ingenieure und Naturwissenschaftler in den
80er Jahren hauptsächlich Konzepte und technische Geräte
für die Gewinnung dieser etwa kartoffelgroßen Erzknollen
aus großen Wassertiefen entwickelt hatten, konzentrierten
sich ihre Aktivitäten in den 90er Jahren vor allem auf die
möglichen Auswirkungen menschlicher Eingriffe in das empfindliche
Ökosystem der Tiefsee. Im Rahmen des vom BMBF finanzierten,
interdisziplinären "Tiefsee-Umweltschutz"-Programms,
an dem auch zahlreiche andere deutsche Universitäten und
Institutionen beteiligt waren, wurden im Peru-Becken, einem weiteren
bedeutenden Manganknollen-Explorationsgebiet, zwischen 1992 und
1998 detaillierte sedimentologische, geochemische, mineralogische
sowie biologische Untersuchungen durchgeführt. Da die VR
China im letzten Fünfjahresplan ein vergleichbares Tiefsee-Ökologie-Projekt
initiiert hat, wurden die Berliner Wissenschaftler zu dieser Expedition
eingeladen, um ihre Erfahrungen in die Kooperation einzubringen.
Als Bernd Grupe und Michael Maggiulli, die in den vergangenen
15 Jahren mehrfach mit großen europäischen Forschungsschiffen
auf den Weltmeeren unterwegs gewesen waren, in Honolulu an Bord
des über 100 m langen Forschungsschiffes gingen, war diesmal
doch alles etwas anders als sonst. Bernd Grupe hatte zwar bereits
1998 an einer Ausfahrt der "Dayang Yihao" teilgenommen,
aber für einen Monat die einzigen Nicht-Chinesen unter den
fast 50 Wissenschaftlern und etwa 40 Mann Besatzung an Bord zu
sein, bedeutete denn doch auch eine Reise in eine fremde kulturelle
Welt. Vor allem die Sprachbarriere war von Beginn an ein bedeutendes
Hindernis bei dem Bemühen, sich nicht nur wissenschaftlich
auszutauschen, sondern sich auch menschlich näher zu kommen.
Nur wenige Chinesen an Bord verstanden Englisch, und außer
"Ni Hao" (Guten Tag), "Shiä-Shiä"
(Danke) und "Gam Bei" (Prost!) war den beiden TU-Mitarbeitern
das Chinesisch nicht weiter geläufig.
FORSCHUNG OHNE SPRACHPROBLEME
Da jedoch die geowissenschaftlichen Mess- und Bearbeitungsmethoden
der gewonnenen Proben vom Meeresboden international standardisiert
sind, klappte die deutsch-chinesische Kooperation bei der Vermessung
sowie Beprobung und Konservierung der Sedimentkerne für die
Analytik in den Berliner Labors trotz der Sprachprobleme hervorragend.
Die hohe Qualität der inzwischen dort gewonnenen Analyse-Ergebnisse
zum Beispiel im Ultraspurenbereich der Porenwasserproben belegt
auch die sehr guten Bedingungen in den Schiffslaboratorien, die
einen Vergleich mit europäischen Forschungsschiffen nicht
zu scheuen brauchen. Auch der fast 100-prozentige Erfolg im Einsatz
der chinesischen Probenahmegeräte in der Tiefsee war nach
den Erfahrungen der bisherigen Expeditionen der Berliner Geologen
bemerkenswert positiv. Davon konnten sich auch Fernsehjournalisten
des staatlichen Senders CCTV 4 überzeugen, die die Expedition
begleiteten und ihren Beitrag im Frühjahr 2000 in China ausstrahlten.
Gesellschaftliche Höhepunkte der Forschungsfahrt waren die
Geburtstagsfeier für Michael Maggiulli sowie eine Abschlussfeier
vor dem Einlaufen in Honolulu, auf der auch die Berliner Gäste
ihr Talent beim Karaoke-Wettbewerb sehr zum Vergnügen der
chinesischen Wissenschaftler zeigen durften. So lag am Ende, als
beide TU-Geologen unter dem Aloha Tower der chinesischen Mannschaft
auf der Richtung Heimat auslaufenden "Dayang Yihao"
zum Abschied zuwinkten, tatsächlich etwas Wehmut in der Luft,
aber bereits nächstes Jahr könnte ein Wiedersehen gefeiert
werden, denn vor wenigen Monaten wurde in Peking der Vertrag für
die Fortsetzung der Kooperation unterzeichnet.
Bernd Grupe, Michael Maggiulli
Leserbriefe
|