TU intern - Oktober 2000 - Forschung
Ernährung: Modifizierte Getreideproteine als Chance für
Darm-Erkrankte
Unter den Stichworten "Functional Food" und "Novel
Food" erfahren sowohl die Mikrobiologie und Verfahrenstechnik
als auch die Genetik im Lebensmittelbereich einen enormen Bedeutungszuwachs.
Hintergrund sind die geradezu explodierenden Kenntnisse über
Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln und deren Wirkung im Organismus.
Mit Hilfe genetischer Methoden können Lebensmittel heute
so modifiziert werden, dass beispielsweise deren Allergiepotenzial
gemindert wird.
Im Rahmen des BMBF-Leitprojektes
"Weizen, Roggen und Gerste ohne Zöliakie-Toxizität"
arbeiten Wissenschaftler verschiedener Forschungseinrichtungen
sowie Unternehmen in enger Kooperation zusammen. Von Seiten des
BTC sind an diesem Forschungsvorhaben das Fachgebiet Mikrobiologie und Genetik
sowie Lebensmittelprozesstechnik
beteiligt. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist die gentechnische
Eliminierung der Zöliakie-Toxizität bei gleichzeitigem
Erhalt der technologischen Eigenschaften der Getreideproteine.
Die Zöliakie ist eine Erkrankung des Dünndarms, die
bei entsprechender genetischer Disposition meist bereits im Kindesalter
auftritt. Die häufigsten Symptome sind Durchfall, Erbrechen,
Wachstumsstörungen und Gewichtsverlust, ausgelöst durch
eine primäre Immunreaktion im Dünndarmbereich. Nach
dem heutigen Stand der Erkenntnisse sind die Prolamine, Speicherproteine
der Getreide, Auslöser für die Krankheit. Die einzige
Therapie besteht bislang in einer lebenslangen Diät, wobei
alle Produkte, die Weizen, Roggen oder Gerste enthalten, gemieden
werden müssen.
In der Pflanze dienen Speicherproteine als Stickstoffquelle für
das keimende Getreidekorn. Bei der Verarbeitung zu Lebensmitteln
treten neben der ernährungsphysiologischen Bedeutung vor
allem die technologischen Eigenschaften dieser Proteine in den
Vordergrund. Sie bestimmen die backtechnischen Eigenschaften der
Mehle.
In einem ersten Schritt wird nun analysiert, ob neben dem Prolamin
weitere Speicherproteine des Getreides Zöliakie auslösende
Bestandteile tragen. Über den Weg der Produktion einzelner
Speicherproteine in Hefe können reine Proteinfraktionen für
die Bestimmung der toxischen Bereiche dieser Proteine isoliert
werden. Anschließend sollen die toxischen Bereiche mittels
gentechnischer Methoden entfernt, zugleich aber die technologischen
Eigenschaften der Proteine erhalten werden.
Die nicht toxischen sowie die modifizierten Proteine sollen dann
dafür eingesetzt werden, neue Nahrungsmittelrohstoffe für
die Produktion von Lebensmitteln für Zöliakiekranke
zu entwickeln.
Im weiteren Verlauf des Projektes erfolgt die Überprüfung
der technologischen Eigenschaften und die Entwicklung von Nahrungsmitteln
aus diesen neuen Rohstoffen. Daran schließt sich eine Überprüfung
der Produktsicherheit und der Verbraucherakzeptanz sowie die Zulassung
der Nahrungsmittel im Rahmen der "Novel Food"-Richtlinien
an.
Dr. Erika Hinzmann, Prof. Dr. Ulf Stahl
http://www.vvgvg.org/
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