TU intern - Oktober 2000 - Hochschulpolitik
Das A und O ist die Akzeptanz
Hochschulrat: Berlin diskutiert - Niedersachsen zeigt wie es
geht
Rätseln über einen Landeshochschulrat. Eine Expertenanhörung
findet am 25. Oktober statt |
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Vor drei Jahren hat der damalige Ministerpräsident Gerhard
Schröder die Wissenschaftliche Kommission des Landes Niedersachsen
ins Leben gerufen. Das unabhängige Gremium, zunächst
unter Leitung des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
Prof. Frühwald, und ab März 2000 unter Vorsitz des jetzigen
Präsidenten der Humboldt-Universität,
Prof. Mlynek, berät seitdem die Landesregierung in allen
Fragen der Wissenschafts- und Forschungspolitik.
Die Mitglieder bewerten u. a. die Berichte der Zentralen Evaluationsagentur,
begutachten Forschungsschwerpunkte und Vorhaben im Rahmen der
Innovationsoffensive, geben Empfehlungen zu Berufungsvorhaben
mit großem finanziellen Volumen ab, beziehen Stellung zum
Thema Forschung an Fachhochschulen und befassen sich mit der Neuordnung
der Graduiertenförderung. Der Wissenschaftsrat
fordert auch für Berlins Hochschulen einen Landeshochschulrat.
Manfred Fricke, seit 1978 Professor für das Fachgebiet Flugführung und Luftverkehr
und von 1985 bis 1993 Präsident der TU Berlin, ist seit 1997
Mitglied der niedersächsischen Kommission und vertritt dort
die Ingenieurwissenschaften.
Herr Prof. Fricke, welche Voraussetzungen sehen Sie als notwendig
an, um solch eine Instanz zu etablieren?
Das Wichtigste ist die Akzeptanz eines solchen Gremiums sowohl
bei den Wissenschaftlern als auch bei den Politikern und der Wissenschaftsadministration.
Alle Beteiligten müssen sich zu dieser Kommission bekennen
und bereit sein, ihre Empfehlungen - soweit irgend möglich
- umzusetzen. Denn nur so ist es möglich, hochrangige Experten
für eine Mitarbeit zu gewinnen. Die Mitglieder der Kommission
müssen überzeugt sein, dass ihre Empfehlungen weitestgehend
umgesetzt werden und nicht vorrangig zur Sanierung der Staatsfinanzen
herangezogen werden. Es muss ein Klima des Vertrauens entstehen
und die Hochschulen müssen überzeugt sein, dass die
Arbeit der Kommission in erster Linie ihren Interessen dient.
Wie sehen Sie die Lage in Berlin?
In Berlin hat es mehrere Wissenschaftskommissionen oder ähnliche
Institutionen gegeben. Sie haben viele qualifizierte Empfehlungen
zur Gestaltung der Wissenschaftslandschaft Berlin erarbeitet.
Aber nur wenige wurden umgesetzt. Meines Erachtens stößt
die Idee eines Landes-Hochschulrates bei den Universitäten
nicht auf sehr viel Gegenliebe. Die Universitäten bangen
um ihre Autonomie. Hier wirken sich natürlich auch die negativen
Erfahrungen mit der Staatsseite (Planungssicherheit) entsprechend
aus. Auch die immer wieder in die Diskussion gebrachte Konkurrenzsituation
vor allem zwischen Humboldt- und Freier Universität
machen die Situation in Berlin nicht einfacher.
Doch es gibt für diese Stimmungslage bestimmt noch mehr
Gründe?
Ja, beispielsweise ist es in Niedersachsen so, dass die Mittel,
die im Hochschulbereich durch Strukturänderungen eingespart
werden, den Hochschulen erhalten bleiben. Teilweise gibt das Land
noch beachtliche Mittel dazu. Das ist der entscheidende Punkt
für die Motivation, Altes aufzugeben und Neues in Angriff
zu nehmen. Eine ähnliche Politik können wir auch in
Bayern und Baden-Württemberg erkennen. Sie haben schon heute
eine starke Position vor allem auch gegenüber Berlin. In
den süddeutschen Bundesländern wird konsequent in die
Hochschulen investiert mit der Folge, dass sich auch die Industrie
mit großen finanziellen Beiträgen engagiert. Man verfolgt
dort eine Langfriststrategie, die dazu führen kann, dass
wir mittelfristig ein deutliches Süd-Nord-Gefälle im
Hochschulbereich bekommen werden. In Berlin ruhen alle Hoffnungen
auf dem Zukunftsfonds, der nur schleppend vorankommt. Hier ist
eine größere Dynamik vonnöten, um die Berliner
Hochschulen vor einem Qualitätsabfall zu bewahren.
Wie sieht Ihre Arbeit in der Kommission konkret aus?
Als Vertreter der Ingenieurwissenschaften obliegt mir die Leitung
einer Arbeitsgruppe zur Forschungsevaluation der Bereiche Maschinenbau,
Elektrotechnik, Bau-Ingenieurwesen, Architektur und Informatik
der drei Universitäten in Braunschweig, Clausthal und Hannover.
Für jeden dieser Fakultätsbereiche gibt es eine gesonderte
Evaluationsgruppe, die später ihre Empfehlungen in die Arbeitsgruppe
einbringt. Von dieser werden dann durch mich abschließende
und übergreifende Empfehlungen in die Wissenschaftskommission
zu endgültigen Strukturempfehlungen eingebracht. Unser globales
Ziel ist es, Doppelangebote dort, wo sinnvoll, zu reduzieren und
andere Schwerpunkte bewusst auszubauen. Am Ende dieses Prozesses
soll für die Hochschullandschaft des Landes eine besondere
Profilbildung erkennbar sein, so dass eine qualifizierte Ausbildung
und wirtschaftsnahe Forschung sichergestellt werden kann.
Wie wird der Informationsfluss zu Ihnen - also den Experten
- und in Richtung Hochschulen und Politik organisiert?
Bei unseren durchschnittlich zwei Plenumssitzungen im Jahr sind
der Staatssekretär in der Regel ganztags und der Minister
teilweise anwesend. Gelegentlich informiert sich auch der Ministerpräsident
unmittelbar über die Beratungen. Dieser enge Kontakt zur
Wissenschaftspolitik stellt sicher, dass man wechselseitig sehr
gut über den Diskussionsstand informiert ist und die von
der Kommission gegebenen Empfehlungen auch schnellstmöglich
umgesetzt werden. Diese enge Kommunikation gibt uns die Gewissheit,
nicht für den Papierkorb zu arbeiten. Der Vorsitzende der
Landesrektorenkonferenz ist ebenfalls bei den Sitzungen anwesend.
Er gibt die Informationen, soweit notwendig, an die Hochschulen
und vertritt deren Interessen. Somit entsteht ein Klima großen
Vertrauens. Bevor wir in einen Evaluationsprozess eintreten, führen
wir natürlich Gespräche mit dem Präsidenten und
den Dekanen.
Wie viele Arbeitsstunden investieren Sie und werden Sie dafür
bezahlt?
Wir bekommen eine hervorragende administrative Unterstützung
durch die für die Wissenschaftskommission eingerichtete Geschäftsstelle.
Sie ist personell sehr gut besetzt und erleichtert uns die Arbeit.
Insgesamt investiere ich in der derzeitigen Phase einen Arbeitstag
pro Woche, sonst einen Tag pro Monat. Es gibt großen Abstimmungsbedarf,
und die Gespräche vor Ort, wie demnächst mit den Präsidenten
und Dekanen der drei Universitäten, erfordern ebenfalls entsprechende
Zeit. Meine Arbeit für die Kommission ist ehrenamtlich.
Ein kurzes Fazit Ihrer Arbeit:
In Niedersachsen ist man fest davon überzeugt, dass eine
solche Kommission nötig und wichtig ist. Was wir empfehlen,
wird - soweit finanziell realisierbar - umgesetzt. Durch eine
gute Organisation und Unterstützung unserer Arbeit kommen
wir zügig im Sinne der Aufgabenstellung voran. Insoweit arbeiten
die Mitglieder der Kommission gern und engagiert für Niedersachsen
und seine Hochschulen.
Das Gespräch führte Stefanie Terp
http://www.wk.niedersachsen.de
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