TU intern - Oktober 2000 - Aktuelles

Brauchen wir neue Standards für die Unternehmenskontrolle?

"Für den Vorstand als dem Führungsgremium eines Unternehmens sind gewisse Spielregeln vonnöten"
Axel von Werder

Das Thema Corporate Governance - zu deutsch Leitung und Überwachung von Unternehmen - beschäftigt nicht nur Wissenschaftler, sondern inzwischen auch die Vorstände großer Unternehmen. Im Zentrum steht die Frage der Rollenverteilung zwischen Aktionären, Vorstand und Aufsichtsrat. Nachdem in den zurückliegenden Jahrzehnten im unteren und mittleren Management Maßnahmen zur Effizienzsteigerung durchgeführt worden sind und das Potenzial hier weitgehend ausgeschöpft ist, sieht sich die oberste Führungsebene mit dem Problem konfrontiert. Denn: Immer mehr Aktionäre messen der Unternehmenskontrolle einen "mindestens ebenso hohen Stellenwert" zu wie den sonst üblichen Finanzkennziffern. Das jedenfalls ergab eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey. Gleich drei Arbeitsgruppen haben sich das Thema Corporate Governance vorgeknöpft und entsprechende Empfehlungen vorgelegt. Mitte Oktober nimmt auch eine Regierungskommission ihre Arbeit auf.

TU intern sprach mit Axel von Werder, Sprecher der Berliner Initiative "German Code of Corporate Governance" und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der TU Berlin, über die Empfehlungen seiner Arbeitsgruppe.

Unter welcher grundlegenden Prämisse stehen Ihre Empfehlungen zur Corporate Governance?

Die Empfehlungen unserer Arbeitsgruppe sind betriebswirtschaftlich orientiert. Uns geht es zum Beispiel um die Frage, welche Anforderungen für die effiziente Leitung und Überwachung von Unternehmen erfüllt werden müssen. Ganz entscheidend sind für uns dabei die Prozesse zwischen den einzelnen Organen wie die Überwachung und Besetzung des Vorstandes, eine Entscheidung, die gesetzlich dem Aufsichtsrat zusteht. Die Erfahrung zeigt aber, dass der Vorstand oft viel besser beurteilen kann, welche Mitarbeiter sich für einen Vorstandssitz eignen. Also sollte ein Verfahren gefunden werden, das den Vorstand in die Entscheidungsfindung mit einbezieht, bei dem zugleich aber der Aufsichtsrat Herr des Verfahrens bleibt.

Wenn man Ihr Papier liest, entsteht der Eindruck, Sie wollten den Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat wieder stärken.

Wenn Sie an die Beinahe-Pleite des Philip-Holzmann-Konzerns denken, war immer nur davon die Rede, dass der Aufsichtsrat versagt habe. Die Entscheidungen werden aber vom Vorstand getroffen. Und insofern meinen wir, dass für den Vorstand als dem Führungsgremium eines Unternehmens gewisse "Spielregeln" vonnöten sind. Wenn wir die Vorstandsarbeit effizienter gestalten, dann haben wir den höchsten Wirkungsgrad. Denn Qualität lässt sich letztendlich in ein Unternehmen hineinprüfen.

Ihr Papier trägt den Titel "German Code of Corporate Governance". Bräuchten wir nicht vielmehr einen International Code?

Unser Kodex richtet sich an Unternehmen, die in und von Deutschland aus aktiv sind. Unsere Empfehlungen beruhen auf der Überlegung, dass sich in einer globalisierten Wirtschaft die Modalitäten erfolgreicher Unternehmensführung zwar annähern, gleichwohl können Governance-Regeln nur dann zur Optimierung der Leitung und Überwachung beitragen, wenn sie auch die spezifischen gesetzlichen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten des Staates, von dem aus das Unternehmen agiert, in Rechnung stellen. In Deutschland haben wir eben den Vorstand und den Aufsichtsrat, und dieses System, darauf kommt es uns an, muss effizient funktionieren. Die Globalisierung ist, denke ich, noch nicht so weit fortgeschritten, dass man keine Unterschiede mehr erkennt.

Ihr Papier liegt neben anderen vor, die Regierungskommission wird ein weiteres verabschieden. Haben Unternehmen überhaupt Interesse an solch einem Kodex?

Das Thema Corporate Governance ist in Unternehmen immer wieder an der Tagesordnung, vor allem im Zusammenhang mit Pleiten. Also Interesse besteht durchaus. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Aktionäre die Thematik aufgreifen und ins Unternehmen hineintragen. Da wir eine gesetzliche Verankerung nicht für sinnvoll halten, wird die Annahme eines solchen Kodexes auf eine Art Selbstverpflichtung hinauslaufen. Für welchen der vorliegenden Kodizes sich ein Unternehmen entscheidet, ist deren Sache. Wichtig ist uns erst einmal, die wissenschaftliche Auseinandersetzung zu befördern.

Das Gespräch führte Thomas Schulz

Dem Initiativkreis "German Code of Corporate Governance" gehören an: Axel v. Werder (Sprecher), Technische Universität Berlin; Prof. Dr. Wolfgang Bernhardt, Industrieberater und Honorarprofessor an der Universität Leipzig; Heinz Dürr; Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dürr AG; Dr. Clemens Grosche, Geschäftsführender Gesellschafter der Matrix Gesellschaft für Unternehmensentwicklung mbH; Heinrich Augustinus Graf Henckel von Donnersmarck, Unicorn Consultants GmbH; Norbert Nelles, Mitglied des Vorstands der Karstadt/Quelle Holding AG; Dr. Martin Peltzer; Rechtsanwalt und Notar; Prof. Dr. Klaus Pohle, Stellv. Vorsitzender des Vorstands der Schering AG und Honorarprofessor an der Technischen Universität Berlin; Dr. Ernst F. Schröder, persönlich haftender Gesellschafter der Dr. August Oetker KG; Dr. Alfons F. Titzrath, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dresdner Bank AG.

http://www.gccg.de


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