TU intern - Oktober 2000 - Forschung

Pharmazie: Auf der Suche nach Naturstoffen in marinen Bakterien der Tiefsee


An Tiefseesedimenten lagern Stoffe, an denen die Pharmaindustrie großes Interesse zeigt

Die Weltmeere, die über 70 Prozent der Oberfläche unseres Planeten bedecken, sind ein besonders vielfältiger Lebensraum. Diese Vielfalt erfordert besondere Anpassungs- und Überlebensstrategien und hat zu einer großen Zahl unterschiedlicher Organismen geführt, die diesen Lebensraum bewohnen. Der weitaus größte Teil der marinen Artenvielfalt ist bisher nicht ausreichend untersucht und stellt ein gewaltiges Potenzial bei der Suche nach neuartigen Naturstoffen dar.

Von verschiedenen Meeresbewohnern ist bekannt, dass sie Sekundärmetabolite produzieren, die sich von den bekannten Strukturen deutlich unterscheiden. Unter Sekundärmetaboliten versteht man Stoffwechselprodukte, die keine erkennbaren oder lebensnotwendigen Funktionen haben. Farbstoffe, Gifte, Riech- und Abwehrstoffe, Halluzinogene, Antibiotika und dergleichen zählen zu den Sekundärmetaboliten. Da die Lebensbedingungen in den Meeren sich deutlich von den Bedingungen an Land unterscheiden, wird vermutet, dass sich in den Ozeanen andere Sekundärmetabolite entwickelt haben als an Land. Die große Artenvielfalt und das daraus resultierende Potenzial für die pharmazeutische Industrie hat national und international zu verschiedenen Forschungsprojekten geführt, in denen die marine Biodiversität und der Nutzen für die pharmazeutische Industrie untersucht wird.

Innerhalb des BMBF-Schwerpunktes "Marine Naturstoffforschung" zielt das Verbundvorhaben "Boreale Schwämme als marine Naturstoffquelle" (BOSMAN) auf die Untersuchung neuer Wirkstoffe aus marinen Schwämmen, die etwa in bestimmten Zonen von nordostatlantischen Tiefwasserkorallenriffen in großer Dichte auftreten. Über 400 Isolate wurden bisher aus den Proben entnommen und werden derzeit von den Projektpartnern (Chemiker und Biochemiker) weitergehend analysiert.

Im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Projektes "MICROMAR" werden in Zusammenarbeit mit verschiedenen europäischen Partnern marine Sedimente von Schelf, Kontinentalabhängen und aus der Tiefsee untersucht. Obwohl dieses Projekt erst seit einem halben Jahr läuft, wurde bei einem Isolat aus Tiefseesedimenten des Mittelmeeres bereits ein interessanter Sekundärmetabolit entdeckt. Dieses Molekül lässt sich in die Klasse der Surfactine einordnen, die für ihre antimikrobielle Wirkung bekannt sind, unterscheidet sich aber von den bekannten Molekülen dieser Stoffklasse. Im Zentrum der weiteren Untersuchungen steht nun die genaue Bestimmung des Bakteriums. Gleichzeitig wird versucht, diesen Organismus im technischen Maßstab zu kultivieren, damit ausreichend Material für die Strukturaufklärung dieses Sekundärmetaboliten zur Verfügung steht. Diese Arbeiten werden sowohl in Berlin durchgeführt als auch bei den beteiligten Partnern in Griechenland, der Schweiz und in Finnland.

Prof. Dr. Ulrich Szewzyk

http://www.tu-berlin.de/fb6/microbial_ecology/index.html
http://www.geowiss.uni-hamburg.de/i-bioge/bosman.htm


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