TU intern - Oktober 2000 - Rechtsextremismus

Die ostdeutschen Länder sind tabu

Sicher und freundlich in Westberlin

Rechtsradikalismus in Deutschland - die Politiker überboten sich während der Sommermonate mit mahnenden Worten. Das Thema rechte Gewalt sei das Thema Nummer eins, war immer wieder zu hören. Anlass für die Redaktion von TU intern, auf dem Campus einmal unsere ausländischen Studierenden danach zu fragen, wie sie die Diskussion zum Thema Rechtsradikalismus wahrnehmen und ob sie schon einmal persönlich mit rechter Gewalt konfrontiert waren.

Kim Jin-u,
Technische Informatik,
3. Semester
Ich finde es erschreckend, dass man aufgrund seiner Nationalität in bestimmten Gegenden Angst haben muss. Ich würde alleine nicht in die ostdeutschen Bundesländer fahren, einfach aus Selbstschutz. Berlin empfinde ich als sehr ausländerfreundlich. Sobald man aber aus Berlin rauskommt, ist die Atmosphäre schon anders. Das ist keine gute Publicity für Deutschland, ein Land, das überall in der Welt als offenes Land gilt. Dass das Thema Rechtsradikalismus jetzt endlich in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert wird, finde ich eine gute Sache.
Bin Wang,
Ingenieurwissenschaften,
9. Semester
Ich fühle mich trotz der Ereignisse im Sommer sehr wohl in Deutschland, vor allem in Berlin. Nach Abschluss meines Studiums werde ich mir aber schon überlegen, ob ich länger hier bleiben will. Einen Job in Dresden beispielsweise würde ich sicherlich ablehnen, weil mir die Atmosphäre dort nicht behagt. Ich selber bin noch nicht angepöbelt worden. Ich glaube auch, dass ausländische Studierende insgesamt wenig betroffen sind. Gleichwohl weiß ich von Kommilitonen, die in Ost-Berlin wohnen, dass sie sich abends manchmal doch etwas unwohl fühlen.
Moussa Diouf,
Stadtplanung und Erziehungswissenschaften,
3. Semester
Was mich erschreckt, ist, dass das rechtsradikale Gedankengut sich bis in die Mitte der Gesellschaft verbreitet hat. Und mich erschreckt, dass die Gesellschaft der rechtsradikalen Gewalt gegenüber offenbar machtlos ist - die Leute auf der Straße greifen nicht ein, wenn ein Ausländer angegriffen wird. Ich habe das selber zwei- oder dreimal erlebt. Am ersten Tag meines Aufenthaltes hier in Deutschland bzw. in Berlin bin ich an der Warschauer Straße so zusammengeschlagen worden, dass ich zwei Monate im Koma lag. Als ich kürzlich mit einer Gruppe von Professoren und Studierenden in Polen war, bin ich am helllichten Tage auf offener Straße angepöbelt worden. In beiden Fällen hat jedenfalls keiner aktiv eingegriffen. Ich denke, jeder, der als Ausländer nach Deutschland kommt, muss wissen, dass er mit der Problematik der rechten Gewalt konfrontiert werden könnte. Wir müssen die Konsequenzen wohl ertragen. Irgendwann geht das auch vorbei.
Eric Ndoumde,
Technische Informatik,
3. Semester
In Ost-Berlin vermeide ich es, nachts ganz allein auf die Straße zu gehen. Im Westteil der Stadt habe ich keine Bedenken. Auffallend im Verhalten der Deutschen gegenüber Ausländern finde ich, dass die jüngere Generation freundlicher ist als die ältere. Insgesamt aber habe ich ein positives Bild von Deutschland, daran kann auch die rechtsradikale Gewalt der letzten Monate nichts ändern. In die ostdeutschen Bundesländer würde ich allerdings auf keinen Fall fahren.
Mustafa Mousto,
Elektrotechnik,
11. Semester
Hier in Berlin fühle ich mich auf jeden Fall sicher. Für mich macht es einen Unterschied, ob man in einer großen oder einer kleinen Stadt lebt. Ich könnte mir vorstellen, dass ich mich in einer Kleinstadt weniger wohl fühlen würde, weil man als Ausländer relativ allein wäre. In Berlin gehören wir Ausländer dazu, das ist jedenfalls mein Eindruck. Also ich habe nie Probleme gehabt. Aber es beschäftigt mich schon, wenn ich von Übergriffen Rechtsradikaler höre.
Mohsine El Hassane,
Elektrotechnik,
14. Semester
Rechtsradikalismus schadet den Deutschen selbst und ihrem Ruf nach außen. Ich habe den Eindruck, dass sich das rechtsradikale Gedankengut wie ein Virus verbreitet. Deshalb muss man vor allem die Organisationen bekämpfen, die die verschiedenen kleineren Bewegungen bündeln. Warum begreifen die Rechtsradikalen nicht, dass Deutschland auf Zuwanderung existenziell angewiesen ist? In einer multikulturellen Gesellschaft liegen für uns große Chancen. Unternehmen, deren Mitarbeiter aus allen Teilen der Welt kommen, sind ausgesprochen innovativ und erfolgreich.


Leserbriefe

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