Geben wir uns keiner Illusion hin: Ohne die dramatischen Budgetkürzungen seit Beginn der 90er Jahre wäre der Reformprozess in der Technischen Universität Berlin nicht da, wo er heute ist. Nicht, dass ich damit die Budgetkürzungen, vor allem die, mit denen die Universitäten für die kommenden Jahre derzeit bedroht sind, als segensreich bezeichnen möchte. Aber sie haben etwas angestoßen. Dies muss man sagen dürfen, auch in einer Situation, in der weitere Kürzungen größten Schaden anrichten würden. Angeregt wurde zunächst eine Rückbesinnung auf die Kernaufgaben einer Technischen Universität: Forschung, Lehre und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf dem Gebiet der Ingenieurwissenschaften. Dazu gehören starke Naturwissenschaften, die neben der Kreativität der Ingenieure der wichtigste Innovationsmotor der Ingenieurwissenschaften sind. Dazu gehört auch ein gewisses Maß an Geistes- und Sozialwissenschaften, die Orientierungs- und Führungswissen für die Ingenieure schaffen und vermitteln sowie die Grundlagen der (auch kritischen) Bewertung technischer Entwicklungen bereitstellen. Ob uns bei der Neudefinition der (erheblich verschlankten) Sollstruktur unserer Universität im Jahre 1998 das richtige Maß bei den Geistes- und Sozialwissenschaften gelungen ist, wird derzeit vom Wissenschaftsrat in seinem Gutachten zu den Entwicklungsplänen der Berliner Hochschulen bezweifelt. Wie gut die Argumente des Wissenschaftsrats sind, soll in den kommenden Monaten in der Diskussion mit externen Fachkommissionen herausgefunden werden. Angeregt wurde weiter ein vermutlich folgenreicheres Nachdenken über die interne Effizienz der Technischen Universität Berlin. Dies betrifft sowohl die Qualität unserer Leistungen in Forschung und Lehre als auch die Leistungs-Kosten-Verhältnisse. Auf beiden Ebenen zeigt sich schon jetzt erheblicher Handlungsbedarf. Zwar muss sich die TU Berlin im nationalen wie internationalen Vergleich mit ihren Leistungen durchaus nicht verstecken, aber die Zahl der Gebiete in der Forschung, auf denen wir die Benchmarks abstecken und die bei uns ausgebildeten Nachwuchswissenschaftler an deutschen und ausländischen Universitäten zur ersten Liga gerechnet werden, ist zu gering, um unserem selbst gesetzten Anspruch und dem, was die Öffentlichkeit Berlins von uns erwartet und dem Standort gut tut, gerecht zu werden. Auch in der Lehre unterliegen wir nicht nur innerer Kritik. Das mäßige Abschneiden mancher bei uns beheimateter Studiengänge in vielen der Rankings, mögen sie methodisch auch noch so zweifelhaft sein, ist unübersehbar. Besondere Anstrengung tut Not. Inzwischen haben wir erhebliche Fortschritte bei der Messung der Forschungsleistung und der Lehrbelastung der Fachgebiete erzielt, mit einem für Fachleute nicht erstaunlichen, für die Konzeption der Reformmaßnahmen wichtigen Ergebnis: Praktisch alle verfügbaren Indikatoren zeigen eine erhebliche Ungleichverteilung der Leistungen in Forschung und Lehre zwischen den Fachgebieten an. Dieser Ungleichheit auf der Leistungsseite folgt die Verteilung der Mittel nur teilweise. In der Gremien- und Gruppenuniversität bestand von Anfang an eine gewisse Tendenz zur Gleichverteilung der Mittel. Das mindert die Kosteneffizienz der Technischen Universität Berlin und mit ihr die Qualitätseffizienz. Denn wenn das Geld nicht dorthin gebracht wird, wo es den besten Gebrauch findet, ist bei gegebenem Budget die Leistung kleiner und jeder einzelne zustande gebrachte Leistungsbeitrag teurer.
Was gegenüber Forschung und Lehre gilt, muss auch Richtschnur für die Verwaltung sein. Sie muss ihre Kunden identifizieren und die Leistungen definieren, an denen sie gemessen werden will und mit denen sie ihr Budget legitimiert. Richtig überzeugend ist diese Legitimation erst dann, wenn dies in Konkurrenz zu externen Dienstleistern geschieht. Deswegen wollen wir den Kunden nach und nach Wahlmöglichkeiten einräumen, wo immer es sich als vorteilhaft erweist. Auch dies trägt zur Kosten- und Qualitätseffizienz bei. Einer der wichtigsten Dienstleistungsbereiche betrifft die Informations- und Kommunikationsdienstleistungen. Hier haben wir wohl den erheblichsten Nachholbedarf, organisatorisch wie investitionsseitig. Der größte Teil der in dieser Sonderausgabe von TU-intern beschriebenen Reformen wird bis Ende 2002 abgeschlossen sein. Die TU Berlin wird dann im Hinblick auf ihre Organisationsstruktur schlanker und leistungsfähiger sein als jemals in ihrer Nachkriegsgeschichte. Sie wird auf neue Anforderungen in der Lehre (kürzere Studiendauer, Internationalisierung und Modularisierung der Studiengänge, bessere Betreuung der Studierenden) reagiert haben und interdisziplinäre Forschungsschwerpunkte vorweisen können, alles freilich nur in dem Maße, wie das Land Berlin den Finanzrahmen sicherstellt, der durch die Hochschulverträge von 1997 versprochen wurde. NOTWENDIGE INVESTITIONSMITTEL Dazu gehört auch eine ausreichende Versorgung mit Investitionsmitteln, die der Technischen Universität schon seit vielen Jahren vorenthalten werden. Denn die 21 Millionen Investitionsmittel, die wir jährlich bekommen, decken nicht einmal die Hälfte unseres normalen Reinvestitionsbedarfs. Ich kann nicht glauben, dass der Senat von Berlin lieber das Olympia-Stadion für eine Fußballweltmeisterschaft vollständig aus Landesmitteln herrichten will als uns die dringend benötigten Investitionsmittel zu geben. Wie viel Arbeitsplätze entstehen durch ein paar Weltmeisterschaftsspiele in Berlin? Prof. Günter Spur, Ehrenmitglied der TU Berlin und unlängst mit dem Schlesinger-Preis vom Land Berlin ausgezeichnet, legte aus diesem Anlass auch seine persönliche Arbeitsmarktbilanz vor: 2000 Arbeitsplätze in Unternehmen, die aus seinem Institut heraus in Berlin gegründet wurden und auch heute noch am Standort sind. Nicht gezählt jene rund 500 Arbeitsplätze, die auf der Basis der Investitionen in das unter Spur geschaffene Produktionstechnische Zentrum dort im wesentlichen für die Drittmittelforschung über Jahrzehnte unterhalten wurden und jene ungezählten Arbeitsplätze, die auf der Basis der von Spur und seinen Mitarbeitern erzeugten technischen Neuerungen in Berliner Unternehmen entstanden oder gesichert wurden. Zugegeben: Nicht jeder Professor ist ein Spur. Aber nicht wenige Professorinnen und Professoren an der TU Berlin könnten respektable Arbeitsmarktbilanzen vorlegen. In der Summe, da bin ich sicher, schlagen wir jede Weltmeisterschaft um Längen. Selbst im untergehenden Rom hieß die Devise: Panem et circenses. Spiele müssen selbstverständlich auch sein. Das Maß ist das Problem. Insofern wird die TU Berlin auch in Zukunft nicht nur für den Hochschulsport, sondern auch für die (universitätsinterne) Kultur zwar im bescheidenen, aber durchaus sichtbaren Umfang Mittel bereitstellen, nicht nur zur Bereicherung des Berliner Sport- und Kulturangebots, sondern auch zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der TU-Mitglieder. Leistung muss auch gefeiert werden. Und Leistung kann nur da vorbehaltlos erbracht werden, wo genügend Solidarität gewachsen ist, um Fehlschläge gemeinsam zu tragen und die Kosten der erforderlichen Flexibilität nicht Teilgruppen anzulasten. Auch das gehört zur Reform an der TU Berlin.
Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers, Leserbriefe |
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