TU intern - April 2001 - Multimedia

Tinte unter Spannung:

Eine Revolution für das Buch kündigt sich an

Im Alter von zwölf Jahren installierte Thomas Edison eine Druckerpresse in einem Wagen der Michigan-Eisenbahn von Port Huron, seiner Heimatstadt, nach Detroit. Er arbeitete als Redakteur und Drucker. Die neuesten Schlagzeilen erhielt er von den Telegraphisten an den Bahnhöfen. Er setzte sie und verkaufte sie als aktuelle Nachrichten im Zug an die Reisenden. Auch heute denkt man wieder über eine Zeitung nach, die mehrmals täglich aktualisiert werden kann. Das Zauberwort heißt Elektronische Tinte.

Doch nicht nur Zeitungen, auch Bücher sind von der neuen Entwicklung betroffen. In Zukunft benötigt man nur noch ein Buch, das alle anderen Bücher beinhalten kann. Studenten könnten sich mitten in der Nacht über das Internet Bücher aus dem Bibliothekscomputer in ihr eigenes laden. Vorteil: Von jedem Buch müsste nur ein elektronisches Exemplar angeschafft werden. Sie würden sich nicht abnutzen und wären nie vergriffen. Auch könnten die Bücher automatisch aktualisiert werden, sodass immer die neueste Ausgabe verfügbar ist.

Das neue Buch sieht aus wie ein ganz gewöhnliches Buch. Nur die Seiten bestehen aus einem leitfähigen Kunststoff, sind aber trotzdem flexibel. In einem Speicherchip im Buchrücken können Buchtexte gespeichert werden, die man sich auf Knopfdruck anzeigen lassen kann. In dem eigenen Buch kann man auch Unterstreichen und Anmerkungen einfügen, wie man möchte.

Die von der Firma E-Ink, ein Spin Off des Massachusetts Institute of Technology, entwickelte elektronische Tinte besteht aus einer durchsichtigen, pflanzenölähnlichen Flüssigkeit, in der sich Millionen von Mikrokapseln befinden. Die Mikrokapseln haben eine durchsichtige Hülle und enthalten blaue Farbe und weiße Pigmente. Die weißen Pigmente tragen positive Ladung und lassen sich deshalb durch elektrische Spannung steuern.

Die elektronische Tinte kann auf jede beliebige Oberfläche wie Papier oder Plastik aufgetragen werden. Genau wie normale Tinte lässt sie sich auch in hellem Sonnenlicht lesen. Der Betrachtungswinkel spielt ebenfalls keine Rolle. Ist das Bild einmal erzeugt, ist keine Spannung nötig, um es zu erhalten. Diese Eigenschaften machen die Technologie für alle Hersteller von Geräten mit elektronischen Displays interessant.

Bereits seit 1978 forscht Xerox PARC an einem ähnlichen Projekt namens Gyricon. Das Projekt wurde lange Jahre nur mit wenig Einsatz vorangetrieben, weil man vor der Verbreitung des Internets wenig Einsatzmöglichkeiten sah.

Die scheinen heute unbegrenzt zu sein. Bereits im Mai 1999 stellte E-Ink in Zusammenarbeit mit Lucent Technologies das erste Werbeplakat mit elektronischer Tinte vor, und im November 2000 folgte der erste flexible Prototyp des elektronischen Papiers. E-Ink hat ein Abkommen mit der Firma Philips mit dem Ziel geschlossen, faltbares elektronisches Papier zu entwickeln. Für das Jahr 2003 hat E-Ink die Fertigstellung des Paper 2.0 angekündigt, mit dem die Vision der sich selbstständig aktualisierenden Zeitung Wirklichkeit werden soll. Xerox kündigt die ersten kommerziellen Produkte noch für dieses Jahr an.

Fabian Kirsch


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