TU intern - Dezember 2001 - Forschung
Ein zielsicherer Schädelbohrer
Roboter unterstützt Chirurgen bei der Verankerung von künstlichen
Ohren
Roboter und Chirurg sind ein gutes
Team |
Das Wissen und das Geschick eines erfahrenen Chirurgen sind
durch nichts zu ersetzen. Doch da der menschlichen Präzision
Grenzen gesetzt sind, kann auch der Erfahrenste hier und da noch
technische Unterstützung von Kollege Roboter gebrauchen - zum
Beispiel wenn es darum geht, präzise Löcher in den Schädel
zu bohren, um künstliche Ohren zu verankern.
Den weltweit ersten Roboter für das Bohren am Kopf - SurgiScope
2000 - wurde in einer Kooperation zwischen Professor Günter
Hommel (TU Berlin), Professor Tim Christian Lueth (Charité
- HU Berlin) und dem Chirurgen Professor Jürgen Bier (Charité
- HU Berlin) entwickelt. Dr. Andreas Hein hat dafür im Rahmen
des Graduiertenkollegs
331 Temperaturabhängige Effekte in Therapie und Diagnostik
die Robotersteuerung implementiert.
Bisher war es sehr aufwändig, durch Missbildung oder Unfall
verunstaltete Ohren durch künstliche zu ersetzen: Der Chirurg
entfernte zunächst das betroffene Ohr, bohrte zwei Löcher
in den Schädelknochen und setzte dort Magnetstifte ein. Diese
mussten dann mit dem Knochen verwachsen. In einer zweiten Operation
legte der Arzt die Implantate frei, und nach dem ermittelten Abstand
der Stifte im Kopf wurde dann die Ohr-Epithese mit den magnetischen
Gegenstücken angefertigt. Bei diesem Verfahren musste
der Patient also zwei Operationen über sich ergehen lassen
und außerdem noch mehrere Monate ohne Ohr leben, erläutert
Andreas Hein. Mit den roboterunterstützten Methoden geht der
Patient nach der ersten Operation gleich mit seinem neuen Ohr nach
Hause. Dies wird durch die hoch präzise Bohrung möglich:
Im Computertomographen werden im Knochen hinter dem Ohr besonders
dichte Stellen identifiziert, in denen die Implantate sicher sitzen
und nicht erst festwachsen müssen. Da nun auch der Abstand
der Stifte exakt feststeht, kann die Epithese bereits jetzt in Auftrag
gegeben werden. Während der Operation identifiziert der Roboter
die vorher festgelegten Stellen für die Bohrung millimetergenau.
Das Auge des Roboters ist dabei ein Navigationssystem.
LEDs am Kiefer des Patienten und am Bohrer informieren den Roboter
ständig über seine Position zum Kopf des Patienten. Bei
dem im Roboter erstmals umgesetzten interaktiven Konzept der Werkzeugführung
führt der Operateur zwar den Bohrer in der Hand, ein Steuerprogramm
verhindert jedoch, dass sich das Werkzeug außerhalb der festgelegten
Bahnen bewegt und die Bohrung an der falschen Stelle angesetzt wird.
Beim Bohren selbst ist wieder allein das Fingerspitzengefühl
des Chirurgen gefragt. Wichtig ist, dass der Roboter so wenig
wie möglich auffällt und den gewohnten Ablauf der Operation
verändert, erklärt Andreas Hein.
Basis für den Bohr-Roboter war ein Roboter der Firma Jojumarie,
dessen Aufgabe es bisher war, ein Mikroskop zu halten. Für
dieses System wurden Instrumentenhalterungen und -führungen
für invasive Anwendungen konstruiert und erprobt. Außerdem
wurde die Software zur Planung und Ausführung mittels Roboter
implementiert. Erstmals kam SurgiScope 2000 im März
2000 zum Einsatz und hat sich inzwischen bereits bei 13 Operationen
bewährt.
Mit SurgiScope 2000 können Ärzte noch mehr
tun als Löcher in Knochen bohren. Mit einigen Modifikationen
kann der Roboter auch in der Hyperthermiebehandlung von Tumoren
eingesetzt werden. Hier kommt es darauf an, den Katheder mit der
Wärme- oder Strahlenquelle möglichst exakt im Tumor zu
platzieren, um alle Krebszellen abzutöten und gleichzeitig
gesundes Gewebe zu schonen. Diese Anwendung des Roboters befindet
sich allerdings noch im Entwicklungsstadium.
Bettina Micka
Leserbriefe
|