TU intern - Dezember 2001 - Vermischtes

Buchtipp

TU intern fragt Menschen in der Uni, was sie empfehlen können. Dr. Günter Mey, Institut für Soziologie

Der Roman „Elementarteilchen“ erzählt die Geschichte der Halbbrüder Bruno und Michel, beide über 40 Jahre alt und jeder auf seine Art liebes- und letztlich lebensunfähig: Während Bruno seit Beginn der Pubertät seiner sexuellen Manie frönt, bis er schließlich seine (medikamentös hergestellte) Ruhe in der Psychiatrie findet, verfolgt Michel nicht minder obsessiv seine wissenschaftliche Arbeit als Molekularbiologe, an deren Ende er nicht nur die Replikation von Menschen vorbereitet, sondern am Ziel seiner Arbeit angelangt Selbstmord verübt. Der Franzose Michel Houllebecq zeichnet mit dieser Doppelbiografie ein Sittengemälde des ausgehenden 20. Jahrhunderts, das sich als „anti-moderne“ Kritik an der „postmodernen“ Gesellschaft und als Abrechnung mit der 68er-Generation lesen lässt, die für Wertezerfall, hemmungslosen Egoismus und Asozialität verantwortlich gemacht wird. In der Erzählung werden die Abgründe zweier verzweifelter und gescheiterter Leben in einfühlsamen Beschreibungen, aber auch in all ihrer Vulgarität und Obszönität ausgebreitet und seziert. Eine Sprache und Betrachtungsweise, die zuweilen irritierend, wenn nicht verstörend wirken mag - ebenso wie der Epilog, in dem als einzig viel versprechende Option für die „Er-Lösung“ der zu Bindung und Liebe unfähig gewordenen Spezies Mensch die künstliche Erschaffung geschlechtsloser Wesen bleibt: eine aktuelle Variante der Huxley’schen „Brave New World“.

Michel Houllebecq: Elementarteilchen. ECON-Taschenbuchverlag, 2001, DM 17,50


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