TU intern - Dezember 2001 - Forschung
Sozialforschung:
Wie Organisationen lernen, um zu überleben
Angesichts der zunehmenden Globalisierung unserer Gesellschaften
und des permanenten Wandels sichert allein schnelle Anpassung die
Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen auf dem Weltmarkt. Aber
auch für staatliche Institutionen oder Parteien, Verbände
und internationale Organisationen sind Lernen und Innovation zur
Überlebensnotwendigkeit geworden.
Wie aber lernen Organisationen? Wie lässt sich Lernen optimieren
und woran erfolgreiches Lernen messen? Nachgegangen wurde diesen
und vielen anderen Aspekten des Themas im Ladenburger Kolleg Organisationslernen
unter verschiedenen Umfeldbedingungen. In der interdisziplinären
Forschungsgruppe arbeiteten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen
sowie Praktiker aus 16 Ländern zusammen. Leiter des Kollegs
war Professor Meinolf Dierkes vom Wissenschaftszentrum
Berlin für Sozialforschung (WZB) und Institut
für Soziologie der TU Berlin unter Mitarbeit von Professorin
Ariane Berthoin Antal (WZB, Henley Management College und Honorarprofessorin
an der TU Berlin, Berliner
Zentrum Public Health). Das Kolleg wurde von der Gottlieb Daimler-und
Karl Benz-Stiftung, Ladenburg, als Programmschwerpunkt gefördert.
Für die Praxis hat sich ein prozessorientiertes Verständnis
von organisationalem Lernen als empfehlenswert herausgestellt, das
darauf abzielt, gefundene Strategien, Werte und Handlungskonzepte
zu überdenken. In Unternehmen laufen solche Lernprozesse in
vielfältiger Weise ab. Sie reichen von stark formalisierten
Lernsituationen wie etwa Veranstaltungen zur beruflichen Weiterbildung
bis hin zu beiläufigem Lernen im Arbeitsalltag. Gerade dieses
ist für die Forschung zum Organisationslernen von besonderem
Interesse.
Die Forscher beschäftigten sich daher unter anderem auch mit
akademisch bislang vernachlässigten Aspekten des Organisationslernens,
wie etwa die Frage der Macht und die Rolle von Emotionen, Konflikten
und lernhemmenden Barrieren. Dabei stellt sich etwa heraus, dass
Emotionen dem rationalen Handeln keineswegs gegenüberstehen,
sondern es erst eigentlich ermöglichen. Sie spielen nicht nur
in Form des allgemeinen Betriebsklimas, als Motivationshemmer
oder -förderer, sondern bei jedem Lernschritt sowohl auf individueller
als auch kollektiver Ebene eine bedeutende Rolle. Es gibt dabei
nicht ein bestimmtes emotionales Klima, das für Organisationen
und deren Lernprozesse günstig ist. Vielmehr lässt sich
sagen, dass Organisationen, die emotionale Aspekte grundsätzlich
berücksichtigen, am erfolgreichsten lernen. Das gilt bis hinein
in die Führungsebene: Ein Klima der Angst, Wut oder Konkurrenz
kann dazu führen, dass ungewöhnliche Alternativen bei
Entscheidungsprozessen ausgeschlossen und damit Innovationen verhindert
werden.
Professor Meinolf Dierkes,
Institut für Soziologie
Leserbriefe
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