TU intern - Erstsemester-Special WS 2001/2002 - Campus

Grüne Lunge zwischen Blechlawinen

Der Campus der TU Berlin überzeugt erst auf den zweiten Blick mit seinen Reizen


TU-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz: das schönste seiner Art in Berlin

Bei unserer ersten Begegnung ist er spontan durch die Gesichtskontrolle gefallen. Der Campus der TU Berlin macht bei einem flüchtigen Rendezvous zunächst nicht den besten Eindruck. Genauer gesagt: Wer nimmt schon wahr, dass es hier am "17. Juni" überhaupt so etwas wie einen Campus gibt?

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Als Berlin-Frischling, der hier studieren möchte und sich noch nicht für eine der Unis entschieden hat, lernte ich schnell die vielen Gesichter der Stadt kennen: preußisch-staatstragend bei Humboldts Unter den Linden, abgeschieden und grün an der Freien Universität in Dahlem. Und dann entstieg ich der U-Bahn am Ernst-Reuter-Platz, dessen Kurzform "ERPl" fälschlicherweise idyllische Assoziationen geweckt hatte. Tosender Autoverkehr zwischen Hochhäusern aus der Nachkriegszeit: Das ist also die TU Berlin - aha. Als der Architekt Georg Ritschl in jungen Jahren zum ersten Mal nach Berlin - und auf den Ernst-Reuter-Platz - kam, war er begeistert: "Weltstadtplatz". Das wird vielleicht nicht jeder so sehen.

Immerhin, in der Architekturzeitschrift "Skyline" (Nr. XXV 1/01) wurde das "Telefunken-Hochhaus", das TU-Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz, zum schönsten seiner Art in Berlin erklärt - und das zu Recht. Spektakulär ist vor allem das Panorama, das sich in den Seminarräumen und der Cafeteria des höchsten Gebäudes am Platze eröffnet: Der Blick schweift vom Ernst-Reuter-Platz entlang der Straße des 17. Juni, vorbei an Siegessäule und Brandenburger Tor - weiter rechts der Potsdamer Platz -, bis hin zum Fernsehturm. Willkommen im Werbekatalog der Hauptstadt.

In den Blick fällt auch die wenig Eleganz vermittelnde Front des Hauptgebäudes auf der rechten Seite von der Straße des 17. Juni. Der weiße Gebäuderiegel wurde in den 60ern zwischen die Altbauflügel aus dem 19. Jahrhundert implantiert. Auch im Inneren stoßen die beiden Gebäudeteile aufeinander, ohne zu korrespondieren. Wer vom Alt- in den Neubau wechselt, passiert abstruse Übergänge. Ich habe auch nach Monaten noch interessante neue Verbindungen entdeckt - oder mich in dem Riesenkasten hoffnungslos verlaufen. Als der Bau vor rund 130 Jahren errichtet wurde, war er das umfangreichste Bauvorhaben des preußischen Staates - abgesehen von der reichlich verspäteten Fertigstellung des Kölner Doms. Ein riesiges Foto der protzig-prächtigen Fassadenfront des Hauptgebäudes, die im 2. Weltkrieg schwer beschädigt wurde, kann man im westlichen Treppenhaus begutachten.

Hinter dem Hauptgebäude erstreckt sich der eigentliche Campus der TU Berlin. In dem Dreieck zwischen Straße des 17. Juni, der Mensa an der Hardenbergstraße (siehe auch unten) und der Fasanenstraße stehen nicht nur zahlreiche Uni-Gebäude aus unterschiedlichen Epochen, hier befindet sich auch die "grüne Lunge" der Hochschule. Im Sommer kann hier zwischen den Veranstaltungen Volleyball oder Basketball gespielt werden. Ich machte es mir lieber im Schatten der großen Bäume bequem. Die kleine Grünanlage ist zugleich ein Skulpturen-Park. Unter anderem findet sich hier eine Säule des alten Berliner Doms. Der von Schinkel gestaltete Bau ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts der heutigen Kirche gewichen. Wenige Meter weiter steht mitten im Gebüsch ein Stück des Säulenganges des ersten Borsigwerkes an der Chausseestraße, der Mutter aller Fabriken.

Hinter dem Mathegebäude - der moderne Glasbau auf der anderen Straßenseite - befindet sich der zweite grüne Lungenflügel der TU Berlin. Neben der etwas verloren wirkenden alten AStA-Villa toben sich die Kinder von Studierenden und Mitarbeitern in der Uni-Kita aus. In Nachbarschaft der Statue des alten Siemens findet man Ruhe vor dem Lärm des "17. Juni". Eine andere Industriellenlegende wurde mittlerweile an einem weniger repräsentativen Ort geparkt: Der Gründer- und Namensgeber des Kruppkonzerns, ein Synonym für unverwüstlichen Stahl, hat heute einen Platz im Trockenen. Seine Statue steht im Westtreppenhaus des Erweiterungsbaus neben dem Hauptgebäude.

Die TU Berlin besteht nicht nur aus dem Campusgelände in Charlottenburg, sondern hat auch im Norden, Süden und Westen der Stadt Gebäude. Dem Mitte der 80er-Jahre errichteten Produktionstechnischen Zentrum am Spreebogen in Moabit bescheinigt die Publikation "Die Technische Universität und ihre Bauten" einen für Berlin stadtprägenden und wegweisenden Charakter. Aber das ist eine andere Geschichte.

lk

Literatur: R. Suckale u. C. Brachmann: Die Technische Universität und ihre Bauten. Verlag für Bauwesen, Berlin 1999, 74,- DM.


Leserbriefe

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