Schafe im Stall

Montag 8.00 Uhr, MA 005, Matheübung. Es ist fünf nach acht. Wo ist der Raum? Sieben nach acht. Der Schweiß rinnt in Strömen. H 104, H 105, falsches Gebäude. Zehn nach acht. Hab den Pförtner gefragt: "Über die Straße ins Gebäude gegenüber". 8 Uhr 13 Minuten: Endlich! MA 005 gefunden. 15 Minuten zu spät ...

Ich heiße Fabian und bin Wirtschaftsingenieur-Student im dritten Semester. Meine Heimatstadt Braunschweig ist mit 250000 Einwohnern etwas größer als Schöneberg, wo ich jetzt wohne. Da fällt es manchmal schwer, sich zurechtzufinden - insbesondere in der Uni. Die Raumsuche gerät nur allzu oft zur Schnitzeljagd. Doch hat man sich ersteinmal mit den Gebäudekürzeln vertraut gemacht, fühlt man sich schon fast wie zu Hause.

15 Minuten später beginnt die Übung, da erstens alle Veranstaltungen, wenn nicht anders angegeben, c.t., also 15 Minuten später, anfangen. Außerdem ist der Assistent gnädig. Da dies die erste Veranstaltung am Montagmorgen ist, geht es noch einmal 15 Minuten später los. Es bleibt also Zeit, mich umzuschauen. Der Typ mit dem vorstehenden Kinn aus der Einführungsveranstaltung sitzt in der dritten Reihe. Einen von 30000 Studierenden kenne ich schon. Immerhin.

Der Studienbeginn stellte mich zwar vor große organisatorische Aufgaben, wie zum Beispiel das Zusammenstellen meines Stundenplans, aber da zwei Studenten verwirrter sind als einer, fand ich schnell eine Gruppe Leidensgenossen. Die Verwirrung ist mittlerweile verflogen. Was aus den Einführungstagen geblieben ist, sind die Kontakte.

Die Übung ist sehr beeindruckend. Ein Mann (der Assistent) redet und beschreibt nebenbei in einem wahnsinnigen Tempo eine Tafel nach der anderen. Im Saal sitzen 250 Studenten dicht gedrängt und versuchen, möglichst viel abzuschreiben, bevor die Tafeln wieder abgewischt werden. Der Assi redet über Logik und Quantoren. "Wenn es regnet oder schneit, sind alle Schafe im Stall. Negieren Sie diese Aussage." Die Aufgabe kennen wir bereits aus der Vorlesung. Nun endlich die Lösung: "Es regnet oder schneit, und mindestens ein Schaf ist nicht im Stall." War ja klar.

Auch wenn man am Anfang denkt, dass die Mitstudierenden bereits ein vollständiges Mathestudium absolviert haben, zeigt sich in solchen Situationen schnell, dass sie meistens genauso wenig Ahnung haben wie man selbst. Na dann, frohes Studieren.

Fabian Kirsch, 3. Semester

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