TU intern - Februar/März 2001 - Multimedia
Sparzwang bis zum Kollaps
Auch die Hochschulbibliotheken bluten finanziell aus
Die mühsame Suche im Zettelkasten wir vom Opac abgelöst |
Den deutschen Bibliotheken geht es an die Substanz. Die Budgets
werden zusammengestrichen, die Preise für wichtige Forschungsliteratur
etwa aus den USA sind im vergangenen Jahr angesichts des niedrigen
Euro-Kurses bis zu 30 Prozent gestiegen. Die viel beschworene
digitale Bibliothek ist zumindest vorerst kein Ausweg.
Wissenschaft und Forschung sowie Studium und Lehre sind ohne Bücher
zum Scheitern verurteilt. Doch die Bibliotheken haben immer weniger
Geld zur Verfügung, um die neueste Literatur anzuschaffen.
An der TU Berlin beispielsweise ist der Erwerbungsetat für
die UB und alle Institutsbibliotheken von 8,1 Millionen Mark im
Jahre 1990 auf 4,9 Millionen Mark im Jahre 2000 gekürzt worden.
Abstriche bei Neuanschaffungen gibt es in erster Linie bei den
Büchern. Der Fachzeitschriftenbestand wurde zwar auch reduziert
- von 15000 Titeln auf 9329 -, er ist von den Kürzungen aber
nicht so stark betroffen wie die Bücher. Der Grund: Mit zahlreichen
Verlagen bestehen langfristige Verträge, die nicht von heute
auf morgen gekündigt werden können.
DIGITALISIERUNG DER TU-BIBLIOTHEK
Lässt sich nicht mit elektronischen Medien, vor allem elektronischen
Fachzeitschriften, Geld sparen? "Heute noch nicht",
so Kurt Penke, Leiter der Hauptabteilung Dokumentation der TU-Bibliothek.
"Die meisten Verlage bieten zwar Online-Versionen ihrer Zeitschriften
an, die bekommt man aber oft nur, wenn man auch die Print-Ausgabe
bezieht. Für die elektronische Fassung muss man dann noch
einmal bis zu 15 Prozent des Print-Preises draufzahlen."
Jetzt gibt es die ersten Verlage, die die Online-Versionen ihrer
Fachzeitschriften unabhängig vom Bezug der gedruckten Ausgabe
anbieten. Einsparen lässt sich so dennoch kaum etwas. Der
Preis liegt heute nur rund 10 Prozent unter dem des Print-Exemplars.
Wie inzwischen an jeder großen wissenschaftlichen Bibliothek
ist auch an der TU Berlin das Herzstück der Opac,
über den alle Bücher ab 1995 online abgefragt werden
können. Für die Bestände vor 1995 wird gegenwärtig
an einem geeigneten Retrokonversionsverfahren gearbeitet, d. h.
eine Umsetzung der Karten-Kataloge in einen Computerkatalog. Ideal
wäre die Schaffung eines einheitlichen Gesamtkatalogs durch
Integration der Karteikarten in den neuen Opac, was allerdings
beim gegenwärtigen Stand der Technik immer noch eine weitgehende
Eingabe der Karteikarten per Hand voraussetzt.
Seit Mitte Januar dieses Jahres können auch alle Zeitschriftentitel,
die die TU Berlin abonniert hat - ob print oder elektronisch -,
über den Opac recherchiert werden. Das war bisher anders.
Da musste man in gesonderten Zeitschriftenkatalogen suchen. Während
man für die Print-Ausgaben den Weg zur Bibliothek antreten
muss, soll auf die elektronischen Zeitschriften demnächst
auch direkt aus dem Opac zugegriffen werden können.
Neben Büchern und Zeitschriften stellt die TU-Bibliothek
auch eine große Zahl an Fachdatenbanken zur Verfügung.
Diese werden zunehmend web-basiert angeboten und sind damit für
jedermann zugänglich - früher war die Recherche in solchen
Fachdatenbanken Spezialisten vorbehalten, weil die Systeme einfach
zu kompliziert waren.
Einen Schritt weiter ist die TU Berlin auch in Sachen eigener
Online-Publikationen gekommen, die zum Teil auch direkt über
den Opac zugänglich sind. Im vergangenen Jahr wurde ein Server
eingerichtet, auf dem u. a. Dissertationen, Habilitationen und
Aufsätze abgelegt werden können. Derzeit werden bereits
rund 40 Prozent der Promotionen ins Netz gestellt. Der Server
"Elektronisches Publizieren an der TU Berlin"
steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Ausbaufähig
ist er allemal.
Von einer digitalen Bibliothek, die diesen Namen auch verdient,
ist man aber prinzipiell noch weit entfernt. Woran es vor allem
fehlt, ist eine einheitliche Oberfläche, über die man
in allen Diensten recherchieren kann. Bis dahin ist es aber noch
ein langer Weg.
ths
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