TU intern - Februar/März 2001 - Hochschulpolitik
Die Qualität bleibt auf der Strecke
Ein weiteres Steinchen auf dem Weg zur schlechten Kopie Amerikas
Wie schon bei der Internationalisierung der Studiengänge,
bei der das beträchtliche Stiftungsvermögen amerikanischer
Universitäten als wesentlicher Bestandteil der Ausbildung
Studierender schlichtweg übersehen wurde, bahnt sich mit
der so genannten Juniorprofessur ein weiterer Qualitätsverlust
in der deutschen Universitätsausbildung an.
Wenn die Juniorprofessur kommt, geht es dann wirklich mit der
Lehre bergab? |
|
Ziel dieser angestrebten Reform laut Presseerklärung des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF) vom September vergangenen Jahres ist es, junge Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler selbstständig und unabhängig lehren
und forschen zu lassen. Weiterhin könne man es sich "nicht
länger leisten, dass die besten Köpfe ins Ausland abwandern,
weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden." In diesem Zusammenhang
soll die Habilitation aus dienstrechtlichen Gründen abgeschafft
werden. Bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass es zwar
keine Habilitationsstellen mehr geben wird, jedoch weiterhin das
Habilitationsrecht der Universitäten. Bei der Analyse dieses
Vorschlags muss also zwischen Forschung und Lehre klar unterschieden
werden.
Um die Chancen der (auch jetzt schon im Amt befindlichen) jungen
Professoren bei der Drittmitteleinwerbung zu erhöhen, sollte
man eher die Anzahl der Gehaltsstufen reduzieren als sie - wie
vom BMBF vorgesehen - erweitern. (Nur so kann endlich das unselige
Prinzip "man kennt sich und hilft sich" aufgebrochen
werden.) Dies würde dazu führen, dass nicht nur die
heutigen C4-Professoren als Gutachter in Frage kämen. Darüber
hinaus sollte man die Gutachter - wie in Amerika üblich -
weltweit berufen, damit Gutachter und Antragsteller nicht mehr
um dieselben Töpfe buhlen. Weiterhin hätte man einfach
den Kreis derjenigen, die Anträge stellen dürfen, auf
alle Promovierten ausweiten können, dazu brauchte es keine
Dienstrechtsreform. Ein weiterer Schritt zur schnelleren Abnabelung
junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von ihren "Lehrern"
muss in der Einführung kurzer Habilitationszeiten als Kriterium
bei der Mittelvergabe an Professoren liegen.
Für die Lehre bedeuten die Abschaffung der Habilitation und
die vorgesehenen Berufungsvoraussetzungen einen klaren Qualitätsverlust.
Die Promotion soll nicht länger als drei Jahre dauern, was
nur an einem außeruniversitären Forschungsinstitut,
im Rahmen einer Drittmittelbeschäftigung oder über Stipendien
zu schaffen ist. Dabei haben die Doktoranden nicht die Möglichkeit,
irgendwelche Lehrerfahrung zu sammeln. Es ist in der vom BMBF
vorgeschlagenen Laufbahn keine im Sinne des Erwerbs didaktischer
Fähigkeiten vorgesehene Phase mehr eingeplant. Abgesehen
von den wenigen Naturtalenten wird somit die Qualität der
Lehre drastisch absinken. Der einzige positive Punkt ist die vorgesehene
Zwischenevaluation, die hoffentlich auch die Lehrleistungen mit
einbeziehen wird.
Eine vielleicht gewünschte Internationalisierung des universitären
Lehrkörpers wird aufgrund der geplanten Verbeamtung der Stelleninhaberinnen
und -inhaber genauso ausbleiben wie die nicht gewünschte
Abwanderung der besten Köpfe. Um dies zu verhindern, sollte
der Staat endlich die den Universitäten jährlich inzwischen
fehlenden zehn Milliarden Mark zusätzlich bereitstellen und
darüber hinaus die Lasten der universitären Ausbildung
durch Rückgliederung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen
möglichst gleich umverteilen. Stattdessen wird den extern
Promovierten ohne Lehrerfahrung künftig der direkte Zugang
zur Professur eröffnet.
Mit der Juniorprofessur wird jetzt auch die "Light"-Kopie
des angloamerikanischen Lehrkörpersystems in die deutsche
Wissenschaftslandschaft einziehen, jedoch ohne die restriktiven
Überprüfungsmechanismen der Lehrqualität. Abermals
vergaß man, dass die wesentlichen Probleme der deutschen
Ausbildung nicht in deren Qualität, sondern ihrer Finanzierung
liegen. Selbst ältere, in Deutschland promovierte Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler sind aufgrund ihrer soliden Ausbildung in
Amerika noch immer heiß begehrt. Somit muss man in Zukunft
nicht nur seinen Kindern das bessere Original der amerikanischen
Studiengänge (die soliden deutschen wird es dann ja nicht
mehr geben) empfehlen, sondern sollte als angehende Wissenschaftlerin
bzw. angehender Wissenschaftler am besten gleich hinterher ziehen:
Es wird einem sogar noch bessere Möglichkeiten bieten und
man sieht seine Kinder vielleicht öfters.
Holger Eisele,
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich
Physik
Leserbriefe
|