TU intern - Februar/März 2001 - Aktuelles
Nachgefragt

Kann die Politik die Verbraucher schützen?

"Die große Mehrzahl der Beamten im neuen Ministerium wird auch in Zukunft die Mittelverteilung an die Bauern organisieren."
Prof. Dr. Heiko Steffens

So viel wie seit Beginn des Jahres war von Verbraucherschutz lange nicht mehr die Rede. Zu unseren, des Verbrauchers, Gunsten hat Bundeskanzler Gerhard Schröder sogar ein ganzes Ministerium neu strukturiert. Das einstige Landwirtschaftsministerium heißt nun "Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft". Auf die Reihenfolge legt der Kanzler besonderen Wert. Nur: Nach wie vor werden für die Landwirtschaft Milliarden, für den Verbraucherschutz gerade mal ein paar Millionen ausgegeben.

TU intern sprach mit Heiko Steffens, Professor am Institut für Arbeitslehre der TU Berlin und Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, über die neue Verbraucherpolitik.

Herr Steffens, was ist Verbraucherschutz?

Verbraucherschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Da Verbraucherbelange durch vielfältige Politikfelder berührt werden können, ist eine vollständige Konzentration aller verbraucherrelevanten Aufgaben in einem Ressort nicht sinnvoll und möglich. Umso wichtiger ist deshalb eine starke Kompetenz des "Verbraucherschutzministeriums" für Grundsatz- und Koordinierungsaufgaben der Verbraucherpolitik innerhalb der Bundesregierung.

Hatte der Verbraucher bislang überhaupt eine Stimme?

Der Verbraucherschutz war ohne klare Zuständigkeiten in verschiedenen Ressorts angesiedelt, sodass mit einer Stimme schon aus strukturellen Gründen nicht gesprochen werden konnte. Der Mangel an klaren Konturen der bisherigen Verbraucherpolitik der Bundesregierung hat sich im Deutschen Bundestag fortgesetzt. Dazu kommt, dass der Landwirtschaftsminister sowohl Sachwalter der Bauern als auch Sachwalter der Verbraucher war. Das passte einfach nicht zusammen. Daher habe ich bereits Anfang Dezember des vergangenen Jahres dafür plädiert, das Landwirtschaftsministerium aufzulösen und ein Verbraucherschutzministerium einzurichten.

Was erwarten Sie von der Arbeit des neuen Ministeriums?

Es genügt nicht, allein die ministeriellen Zuständigkeiten umzustrukturieren und eine Wende in der Agrarpolitik anzukündigen. Die Devise muss lauten: Weg vom Reparaturbetrieb hin zum vorsorgenden Verbraucherschutz. Die Verbraucher erwarten von einer vorsorgenden Politik wirksamen Schutz gegen gesundheitliche Gefährdungen und Risiken, Schutz vor wirtschaftlichen Nachteilen und die schonungslose Darstellung der Bedenken, Vorbehalte und Restrisiken. Der Schutz der Konsumenten darf jedoch nicht auf Lebensmittel und Ernährung beschränkt werden, sondern muss alle Konsumfelder umfassen. Die Beschränkung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf den gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie die Vermeidung von Lebensmittelkrisen würde zu kurz greifen.

Wie schätzen Sie das Verhältnis zwischen Verbraucherschutz und Landwirtschaft im neuen Ministerium ein?

Dass der Verbraucherschutz an erster Stelle steht, klingt natürlich gut. Aber machen wir uns nichts vor: Wir haben es immer noch mit einem Landwirtschaftsministerium zu tun, denn die große Mehrzahl der Beamten im neuen Ministerium wird auch in Zukunft die Mittelverteilung an die Bauern organisieren. Immerhin ist es aber politischer Wille, das Verbraucherinteresse groß zu schreiben.

Das Gespräch führte Thomas Schulz


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