TU intern - Februar/März 2001 - Studium

Ein neuer Markt unter den Sternen

Auf dem Weg zum Weltraumtourismus sind die ersten Schritte erfolgt


Die meisten Menschen wollen vom Weltraum aus nur kurz die Erde betrachten

Die Entwicklung eines Weltraumtourismusgeschäfts hat bereits begonnen; erste Schritte sind z. B. Themenparks, Weltraumlager und Parabelflüge. Suborbitale Flüge mit einigen Minuten Schwerelosigkeitserfahrung werden wahrscheinlich der nächste Schritt hin zum Weltraumtourismus sein. TU intern sprach mit Robert Goehlich, der zu diesem Thema seine Diplomarbeit geschrieben hat.

Herr Goehlich, was sind suborbitale Flüge?

Per Raumfahrzeug geht es in den Weltraum, hier lernt der Tourist einige Minuten Schwerelosigkeit kennen und kehrt dann zur Erde zurück, ohne diese umkreist zu haben. Das alles ist jedenfalls anfangs nur zu einem hohen Preis zu haben. Schätzungen gehen von einem Preis zwischen 5000 und 1,1 Millionen Dollar aus. Diese Weltraumausflüge sind mit den ersten Rundflügen in den 20er Jahren zu vergleichen, die den ersten kommerziellen Luftfahrtmarkt bildeten.

Wie sieht der Reiseverlauf aus?

Ein suborbitaler Flug für Touristen besteht aus einem einwöchigen Aufenthalt an einem Weltraumbahnhof. In den ersten drei Tagen finden Sicherheitstrainings, Simulatorflüge, Parabelflüge und Fahrten in der Zentrifuge statt. Am vierten Tag nimmt der Passagier an dem suborbitalen Flug teil, der abhängig von der Flugsequenz eine halbe bis drei Stunden dauert. Danach werden die so genannten "Astronaut Wings" verliehen, als Auszeichnung für einen Aufenthalt im Weltraum. Die letzten Tage sind dazu gedacht, die Eindrücke und die neuen Erfahrungen miteinander auszutauschen.

Welche Touristenattraktionen gibt es im Weltraum?

Marktstudien haben gezeigt, dass die meisten Menschen im Weltraum "nur" die Erde betrachten wollen. Es scheint eine besondere Faszination zu sein, die verschiedenen Länder ohne sichtbare Grenzen vorbeigleiten zu sehen. Auch den Weltraum zu betrachten ist ein Genuss, da die Sterne viel klarer und heller erscheinen. Weiterhin bietet z. B. das Trinken aus einer frei im Raum schwebenden Wasserkugel ohne jegliches Gefäß viel Experimentierfreude.

Wie groß ist die Nachfrage nach suborbitalen Flügen?

Bei der größten Reiseagentur für Weltraumtourismus sind bereits 25 Tickets für suborbitale Flüge zu 100000 Dollar vollständig bezahlt und 130 suborbitale Flüge zu 6000 Dollar angezahlt. Marktstudien prognostizieren, dass die jährliche Nachfrage bei einem Ticketpreis von 100000 Dollar bis zu 20000 Passagiere betragen kann. Als Vergleich: Ein Tauchausflug zur Titanic kostet derzeit 36000 Dollar.

Wie groß ist das Angebot an Raumfähren?

Weltweit wurden 23 verschiedene suborbitale Raumfährenkonzepte für Weltraumtouristen vorgeschlagen. Einige sind schon in der Testphase, andere sind noch (oder für immer) in der Vorentwurfsphase. Die meisten Konzepte wurden in den USA entwickelt, vier in Europa, eins in Russland, eins in Kanada und eins in Argentinien. Der mit 10 Millionen Dollar dotierte "X Prize" für die erste erfolgreich betriebene wiederverwendbare suborbitale Raumfähre animiert insbesondere sehr kleine "start-up"-Unternehmen, solche Konzepte zu realisieren.

Sind die geplanten Raumfähren wirtschaftlich?

Es ist schwierig, Raumfähren so zu konstruieren, dass sie kostendeckend betrieben werden können. Eine Untersuchung der wirtschaftlichen Realisierbarkeit durch Bestimmung der minimal notwendigen Flugscheinpreise für ein realistisches Szenario in naher Zukunft liegt vor. Dafür wurde ein statistisches analytisches Modell, genannt SUBORB-TRANSCOST, entwickelt, welches auf einem erfolgreich eingesetzten Modell in der Luft- und Raumfahrtindustrie beruht. Die berechneten Flugscheinpreise variieren, abhängig vom jeweiligen System, zwischen 300000 und 1,1 Million Dollar. Um rentabel zu sein, muss die derzeit praktizierte Verkaufsstrategie, Flugscheine für 100000 Dollar oder weniger anzubieten, geändert werden.

Wann geht es endlich los?

Bereits 1969, nach dem Erfolg der Apollo-Mission, begann die Fluggesellschaft Pan Am unverbindliche Ticketreservationen für Mondflüge entgegenzunehmen, die aber bis heute noch nicht stattgefunden haben. In Anbetracht der seit einigen Jahren intensiven Forschung in den USA und der weiteren Kommerzialisierung der Raumfahrt kann jedoch mit einem Betrieb von wiederverwendbaren suborbitalen Raumfähren bis zum Jahr 2010 gerechnet werden. Wer so lange nicht warten möchte, kann wie der amerikanische Multimillionär Dennis Tito einen einwöchigen Aufenthalt in einer Raumstation für 20 Millionen Dollar buchen.

Das Gespräch führte Thomas Schulz

Weitere Infos bei Robert Goehlich unter Robert.Goehlich@TU-Berlin.de unter http://www.eDoc.BusinessVillage.de Stichwort: "Space Tourism". Dort kann die Diplomarbeit als Buchversion unter dem Titel "Weltraumtourismus - Wirtschaftliche und technische Beurteilung von suborbitalen Weltraumflügen für Touristen" bestellt werden.


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