TU intern - Februar/März 2001 - Internationales
Stockholm - das Venedig des Nordens
Ein Studienaufenthalt an der Königlich Technischen Hochschule
Stockholm ist ein kulturelles und landschaftliches Ereignis |
Auch wenn sich in Schweden seit der großen Rezession
Anfang bis Mitte der 90er Jahre einiges geändert hat, ist
es im Vergleich zum übrigen Europa immer noch ein Hort der
Sicherheit und Ruhe. Florian Stellmacher studierte im Studienjahr
1999/2000 Stadt- und Regionalplanung an der Königlich Technischen Hochschule
(KTH) in Stockholm.
In den Großstadtregionen Schwedens ist, anders als auf dem
Land, eine Aufbruchstimmung und gelegentlich sogar eine für
Skandinavien untypische Euphorie zu spüren, die mit einer
starken Konjunktur und geringen Arbeitslosenzahlen einhergeht.
Technologischer Fortschritt scheint dafür der Motor zu sein.
Die Kommunikations- und Computerbranche sucht händeringend
Arbeitskräfte und geht in Sachen Absolventenwerbung neue
Wege. Während meines Aufenthaltes an der KTH verteilte eine
Computerfirma vor der Fakultät für Elektronik halbe
1000-Kronen-Scheine mit dem Versprechen, den anderen halben Tausender
nach Einsenden von Bewerbungsunterlagen auszugeben.
Wie das Land insgesamt ist auch die KTH bestens organisiert. Die
Kontaktaufnahme zur Hochschule, wenn man das Auswahlverfahren
an der TU Berlin hinter sich gebracht hat, läuft fast wie
von allein. Und vor der schwedischen Sprache braucht man sich
auch nicht zu fürchten. Ich bin nur zwei Menschen begegnet,
die kein Englisch sprachen. Aber um sich richtig wohl zu fühlen,
sind ein paar Schwedisch-Kenntnisse unverzichtbar.
An der KTH wird jeder Austauschstudierende von einem Betreuer
persönlich in Empfang genommen. Ich wurde durch ihn mit einem
herzlichen Lächeln, den wichtigsten Informationen und einer
Bleibe mit Schlüssel und Mietvertrag begrüßt.
Wie viele andere Gaststudenten habe auch ich in Kungshamra im
Norden Stockholms gewohnt - zwei U-Bahn-Stationen und acht Minuten
Fußweg zur KTH, rund herum jede Menge Wald, in zehn Minuten
erreicht man die Ausläufer der Ostsee, die im Sommer zum
Baden, im Winter zum Schlittschuhlaufen einladen.
In Schweden finden die Semester von September bis Weihnachten
und Januar bis Juni statt und sind in je zwei Abschnitte unterteilt,
die jeweils mit einem Prüfungsblock abschließen. In
jedem der Abschnitte sind Kurse im Gesamtwert von zehn Punkten
zu belegen, was etwa 24 Stunden pro Woche bedeutet. Die 75-prozentige
Anwesenheitspflicht wird durch teilweise große Mengen an
Literatur ergänzt, die nicht nur im Rahmen von Klausuren
abgefragt wird, sondern auch für spezielle Literaturseminare
prägnant zusammengefasst werden muss. Dies verdeutlicht die
stärkere Verschulung des schwedischen gegenüber dem
deutschen Hochschulsystem.
Die Betreuung der Studierenden durch die Mitarbeiter ist von einer
sehr persönlichen Atmosphäre geprägt. Auch die
Professoren sind fast jederzeit erreichbar. Insbesondere die technische
Ausstattung ist luxuriös, jedenfalls im Vergleich zur TU
Berlin. Jeder Studierende erhält gleich zu Beginn eine E-Mail-Adresse
und Zugang zu den Computerpools, die wie alle Gebäude der
Hochschule Tag und Nacht zugänglich sind.
Dies trägt sicher ebenso zu einer angenehmen Campus-Atmosphäre
bei wie die zentrumsnahe Lage aller Uni-Einrichtungen, eingebettet
in eine hügelige Waldlandschaft. Die Studenten-Union wie
auch einzelne Studierende organisieren in Cafés und Wohnheimen
Absolventen-Messen, Partys, Kinoabende, Konzerte u.ä. Dabei,
wie bei den Theater- und Sangesgruppen der Fachbereiche und dem
als Aushängeschild der KTH dienenden zentralen Theater, bieten
sich vielfältige Möglichkeiten des Engagements.
Zur beliebtesten Kneipen-, Club- und Wohngegend hat sich in den
letzten Jahren das ehemalige Arbeiterviertel Södermalm entwickelt,
während die Altstadt vor allem durch ihre pittoreske Architektur
und durch Touristen-Geschäfte sowie die City durch unzählige
Geschäfte, Kinos und teure Bars bestechen. Die Angebote der
Hochkultur sind umfassend, auch wenn gerade zwei der wertvollsten
Bilder gestohlen wurden.
Die herrliche Umgebung Stockholms eröffnet viele Sport- und
Ausflugsmöglichkeiten und mit Fähren steht einem die
ganze Ostsee offen. Ich habe sie für Reisen nach Gotland,
Estland, Lettland und Finnland genutzt.
Florian Stellmacher
Leserbriefe
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