TU intern - Februar/März 2001 - Forschung
Mit neuen Ideen gegen Warteschleifen
Vorschläge für eine verbesserte Vergabepraxis von
Start- und Landerechten
Auf dem europäischen Kontinent erreicht heute rund ein
Viertel aller Flüge ihr Ziel nur mit Verspätung. Grund
hierfür sind zumeist Kapazitätsengpässe auf den
Flughäfen. Für den rapide zunehmenden Luftverkehr können
jedoch nur sehr begrenzt neue Kapazitäten geschaffen werden.
Das traditionelle Verfahren zur Zuteilung der Start- und Landerechte
(Slots) auf der Basis so genannter Großvaterrechte gerät
immer mehr in die Kritik. Es vermag die Knappheitsverhältnisse
nicht richtig widerzuspiegeln. Auch schützt die gegenwärtige
Slot-Zuteilung die Besitzstände der etablierten Airlines
und behindert dadurch den Wettbewerb im Luftverkehr. Angesichts
dieser Entwicklung und vor dem Hintergrund der 1993 in der Europäischen
Union eingeführten Liberalisierung des Zugangs von Airlines
zum Flugverkehr gewinnt die Frage nach der Zuteilung von Zeitnischen
für Starts und Landungen an EU-Flughäfen zunehmend an
Bedeutung.
Einen gangbaren Ausweg aus der Misere haben Prof. Dr. Hans-Jürgen
Ewers und seine Mitarbeiter vom Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik
der TU Berlin entwickelt. In der nun vorliegenden Studie wird
die derzeitige Vergabepraxis von Slots untersucht. Das Team unterbreitet
Vorschläge, wie diese künftig effizient und wettbewerbsfördernd
verteilt werden können. Die Studie wurde im Auftrag der Hochtief AirPort GmbH,
Essen, erstellt.
Konkret empfohlene Einzelmaßnahmen sind: 1. Einführung
eines Kapazitätszuschlags auf überlasteten Flughäfen
mit der Maßgabe an den Flughafenbetreiber, zusätzliche
Gebühreneinnahmen nachweislich in die Erweiterung der Flughafenkapazität
zu investieren. Kann er diesen Nachweis innerhalb einer vorgegebenen
Zeitperiode nicht erbringen, so muss er die erhobenen Zuschläge
zurückerstatten bzw. an den Staat abführen. 2. Erhebung
einer "pauschalen" Start- und Landegebührkomponente
zur Abdeckung der Fixkosten. Diese, einer Hotelreservierungsgebühr
ähnliche Preiskomponente, ist von den Airlines im Voraus
und auch im Fall einer Nicht-Nutzung des Slots (No shows) zu entrichten
(Reservierungsgebühr). Die verbleibenden variablen Teile
der Start- und Landegebühren werden um die fixen Teile bereinigt
und abgesenkt, um allein die variablen Kosten zu decken. 3. Zeitliche
Befristung der Gültigkeit aller Slots auf einen Zeitraum
von fünf bis acht Jahren. 4. Die Slots fallen an den Pool
und werden im Rahmen einer Slot-Auktion daraus versteigert. Die
Auktionserlöse sollten dem Ausbau der Infrastruktur des jeweiligen
Flughafens dienen. Sie ersetzen die o.g. Kapazitätsgebühr
und sollten grundsätzlich ebenso verwendet werden. 5. Einführung
von Elementen des Slothandels. Dabei ist an einen beschränkten
Slothandel gedacht, der Formen des Leasings einer zeitlichen Befristung
unterwirft und die tatsächliche Nutzung geleaster Slots sicherstellt.
Der Slothandel sowie Futures und Options verschaffen den Airlines
die notwendige Flexibilität für ihre Planungen.
Dieses empfohlene, stufenweise Vorgehen zielt somit langfristig
auf die Abschaffung der gegenwärtigen Großvaterrechte
und auf die Zuteilung von Slots im Rahmen von Auktionen. Die Veränderungen
der Flughafen-Gebühren als erste Schritte sind innerhalb
des gegenwärtigen EU-Rechtsrahmens bereits heute möglich.
Dahingegen setzen die nachfolgenden Maßnahmen Änderungen
der rechtlichen Rahmenbedingungen voraus und stellen somit Handlungsempfehlungen
an den Gesetzgeber, d. h. insbesondere die EU-Kommission, dar.
Letztlich werden sämtliche Marktteilnehmer und Flughafen-Stakeholder
Gewinner der vorgeschlagenen stärker marktorientierten Gestaltung
des Slot-Zuteilungssystems sein: Die Fluggäste profitieren
von der gestiegenen Wettbewerbsintensität zwischen den Airlines
durch niedrigere Flugticketpreise und ein besseres Flugdienstangebot.
Sämtliche Airlines erhalten durch die Aufgabe der Großvaterrechte
freien Zugang zu sämtlichen Flughäfen der EU. Das Umfeld
der Flughäfen und die Anwohner profitieren von einer ressourcenschonenderen
und effizienteren Nutzung der knappen Flughafenkapazitäten.
Zudem werden Wachstumsimpulse auf die lokale Wirtschaft und den
Arbeitsmarkt ausgesendet. Flughäfen wird die Möglichkeit
einer effizienteren Nutzung der von ihnen vorgehaltenen Infrastrukturkapazitäten
ermöglicht.
Henning Tegner
http://wip.tu-berlin.de
Leserbriefe
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