TU intern - Januar 2001 - Alumni

Meinungen aus der Praxis

Christiane Kerlen

Das Unternehmen und seine Berater

Schon während ihres Studiums an der TU Berlin im Fach Wirtschaftsingenieurwesen schnupperte Christiane Kerlen, Jahrgang 1968, in die Unternehmensberatung hinein, und zwar im Rahmen eines Studienprojektes, der "Innovationswerkstatt". Hier werden jedes Semester zwei innovative Berliner Unternehmen ausschließlich von TU-Studierenden beraten. Zwanzig Pioniere unterschiedlichster Studienrichtungen sitzen zusammen und brüten Unternehmenskonzepte aus. Ein solches Projekt - für die Unternehmen umsonst, für die Studierenden ein erster Einblick in die Praxis - ist auf vier Wochen angelegt, notfalls müssen Nachtschichten geschoben werden. "Das war wie im wirklichen Leben", weiß Christiane Kerlen heute zu berichten. Denn inzwischen hat sie in einer renommierten mittelständischen Unternehmensberatung gearbeitet, die in der Medienbranche tätig ist, und kennt den Alltag des Beratergeschäfts.

Das war aber zunächst nur ein Ausflug in die Praxis. Schon im Studium hatte sie den Plan gefasst zu promovieren. "Ich wollte zunächst einmal die Realität in der Berufswelt kennen lernen, bevor ich mich in die theoretische Arbeit stürzte. Nur wenn ich weiß, wie Unternehmen und Berater zusammenarbeiten, kann ich mich wissenschaftlich mit dem Thema Unternehmensberatung beschäftigen." Und weil ihr während der eigenen Arbeit als Unternehmensberaterin kaum Zeit blieb, sich mit grundlegenden Fragestellungen zu befassen, schrieb sie sich nach zwei Jahren wieder an der TU Berlin als Doktorandin ein.

Als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung und als Mitglied der Abteilung "Organisation und Technikgenese" des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung promoviert sie nun seit drei Jahren zu der Frage, wie Unternehmen Probleme definieren und welchen Einfluss Unternehmensberater auf die Problemdefinition haben. Diese Fragestellung ist durch ihre eigene Tätigkeit als Unternehmensberaterin geprägt. "Das Schlüsselereignis war, dass ein Unternehmen kam und über Probleme sprach, die wir als Berater gar nicht als dringlich angesehen haben." Das war der Auslöser dafür, in der Literatur nachzuschauen, ob sich etwas zu dieser Problematik findet. Immerhin gehört es zu den Aufgaben von Beratern, auch bei der Problemdefinition behilflich zu sein. Doch zu diesem Aspekt fand sich so gut wie gar nichts. Die Beratungsliteratur konzentriert sich sehr stark auf die Problemlösung.

In ihrer explorativ angelegten Arbeit untersucht sie vier Projekte bei einem Großunternehmen, die mit großen Unternehmensberatungen durchgeführt worden sind. Dabei zeigt sich, dass den Beratern die Wichtigkeit der Problemdefinition durchaus bewusst war, aber die Möglichkeiten, die ein Berater theoretisch hat, in der Praxis nicht genutzt werden, auch von Seiten der Unternehmen nicht.

Wie im Studium engagiert sich Christiane Kerlen auch neben der Promotion für die Hochschulpolitik. Als Studentin hat sie im Fachschaftsteam und als studentische Studienberaterin gearbeitet. Vor allem aber hat sie sich im Fachbereichsrat engagiert und war damit an allen wichtigen Entscheidungen für ihren Fachbereich beteiligt. "Das hat viel Spaß gemacht und ich habe viel gelernt. Für den Fachbereich haben wir einiges erreicht."

Als Doktorandin beteiligt sie sich als Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung an einer stiftungsübergreifenden "Promovierenden-Initiative". Dreimal im Jahr treffen sich promovierende Stipendiaten der großen deutschen Stiftungen, um den Austausch untereinander zu fördern und gemeinsame hochschulpolitische Positionen zu formulieren. Sie wollen sich beispielsweise dafür einsetzen, dass die Doktoranden einen eigenen Status erhalten oder dass die Hochschulen in Sachen Doktorandenbetreuung mehr in die Pflicht genommen werden. Ganz oben auf der Tagesordnung steht derzeit die Reform des Dienstrechts. "Der vorliegende Entwurf der Ministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, sagt zum Thema Promotion nämlich reichlich wenig", so Christiane Kerlen. Die Promovierenden-Initiative lehnt vor allem die rigide Altersgrenze ab, die für die Phase der Promotion vorgesehen ist.

Was nach der Promotion kommen soll, die sie in diesem Frühjahr abschließen will, ist noch offen. Fest steht nur, dass sie gerne unternehmensnah arbeiten möchte, nicht aber als klassische Beraterin. "Mein Ziel ist es, den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis zu fördern."

Thomas Schulz


Leserbriefe

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