TU intern - Januar 2001 - Forschung
Tötung auf Verlangen - Ende eines Tabus?
Das Beispiel Niederlande - Konsequenzen für Deutschland?
Immer mehr Erkrankte ohne Aussicht
auf Heilung wünschen sich aktive Sterbehilfe |
Ende November vorigen Jahres verabschiedete das niederländische
Parlament ein Gesetz, das es Ärzten erlaubt, unheilbar Schwerstkranken
aktive Sterbehilfe zu leisten. Diese Neuregelung hat die Diskussion
um aktive Sterbehilfe auch in Deutschland wieder entfacht. Vor
diesem Hintergrund greift das Berliner Zentrum Public Health
dieses Thema gemeinsam mit der Ärztekammer Berlin
und dem Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin
in einem Symposium am 26. Januar 2001 auf.
Der Umgang mit Sterbenden und dem Sterben allgemein findet in
der Öffentlichkeit großes Interesse. Dies ist nicht
etwa eine Erscheinung unserer Zeit mit den Möglichkeiten
moderner intensivmedizinischer Behandlung. Bereits seit der Antike
machen sich Menschen Gedanken über den Umgang mit dem nahenden
Tod. Seither schwören Ärzte im hippokratischen Eid:
"Ich werde niemandem ein tödliches Mittel geben, auch
wenn er mich darum bittet".
Der niederländischen, bislang weltweit einmaligen Regelung
ging eine über mehr als drei Jahrzehnte andauernde Diskussion
voraus, die der ehemalige Leiter der niederländischen Sachverständigenkommission,
Pieter V. Admiraal, über lange Zeit begleitete. Er vertritt
den Standpunkt, dass jeder Mensch ein Recht auf Selbstbestimmung
habe, und damit das Recht, über das eigene Leben zu verfügen.
Allerdings habe auch jeder Arzt das Recht, eine erbetene Sterbehilfe
zu verweigern. Für Admiraal ist die aktive Sterbehilfe eine
ärztliche Aufgabe und "der letzte würdige Akt in
der Phase der Sterbebegleitung". Achtzig Prozent der Niederländer
teilen seiner Einschätzung nach diese Haltung.
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen,
verboten und mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren
belegt (§ 216 StGB). Die Grundsätze der Bundesärztekammer
zur ärztlichen Sterbebegleitung schreiben vor, dass Ärzte
Todkranken so helfen müssen, dass sie in Würde zu sterben
vermögen. Maßnahmen zur Verlängerung des Lebens
dürfen in Übereinstimmung mit dem Willen des Patienten
unterlassen oder beendet werden, wenn sie nur den Todeseintritt
verzögern, aber den Verlauf der Krankheit nicht aufhalten
können.
Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben
(DGHS) fordert eine Veränderung des geltenden Rechts und
plädiert für eine Regelung der Sterbehilfe im Strafgesetzbuch:
Das von ihr geforderte Selbstbestimmungsrecht bis zur letzten
Lebensminute schließt auch die Möglichkeit aktiver
Sterbehilfe ein.
Christof Müller-Busch, Leiter der Palliativstation im Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe,
sieht das anders: Palliativmedizinische Bemühungen könnten
der Restlebenszeit mehr Sinn und Qualität schenken und damit
die Forderung nach einer Tötung auf Verlangen überflüssig
machen. Gerade weil eine Tötung auf Verlangen oder ein ärztlich
assistierter Suizid eine gezielte und endgültige Zerstörung
von Autonomie darstellten, seien sie für ihn mit medizinisch-ethischen
Prinzipien nur schwer vereinbar.
Die öffentliche Diskussion über das Thema Tötung
auf Verlangen ist längst überfällig. Immer mehr
Menschen wollen durch Verfügungen festlegen, dass bei ihnen
im Fall einer schweren Erkrankung ohne Aussicht auf Heilung auf
lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet wird. Solche
Patienten-Testamente sind jedoch rechtlich noch nicht verbindlich.
Daher fordert die Vorsitzende der Ethikkommission der Ärztekammer
Berlin, Ruth Mattheis, Rechtssicherheit: "Durch gesetzliche
Regelung sollte klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen
Patientenverfügungen für den Arzt verbindlich sind."
Mit dem Symposium "Tötung auf Verlangen: Das Beispiel
Niederlande - Konsequenzen für Deutschland?" bietet
das Berliner Zentrum Public Health Wissenschaftlern und Öffentlichkeit,
Ärzten und Angehörigen Betroffener eine Plattform für
die Diskussion der unterschiedlichen Auffassungen und ethischen
Gegensätze.
Monika Huber
www.tu-berlin.de/bzph
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