TU intern - Januar 2001 - Studium
Von der Vielfalt zur Einfalt
Wie ein Studiengang an der TU Berlin dahinsiecht
Die Strukturreform der TU Berlin und die ihr anhaftende Budgetierung
reißt überall spürbare Löcher. Sicherlich bekommen
das alle Beteiligten zu spüren. Große Studiengänge
- also hauptsächlich die Diplomstudiengänge als "Flaggschiffe"
der TU Berlin - müssen sich künftig mit wenigen Professorenstellen
begnügen, womit sie aber immerhin noch professoral abgesichert
und damit auch studierbar sind. Wahrhaft katastrophal jedoch wirkt
sie sich auf kleinere und weniger frequentierten Studiengänge
aus.
Vergessen
scheinen sie, weil sie weniger öffentlichkeitswirksam und damit
auch nicht prestigefördernd und wettbewerbswirksam sind. So
marktwirtschaftlich wie es klingt, ist es nicht: Diese Hochschulpolitik
geht völlig vorbei an der Nachfrage des deutschen Arbeitsmarktes.
Ein Blick auf dessen nicht vorhandene Kapazitäten und die Zahl
der hier trotzdem ausgebildeten Architekten zeigt, dass die TU Berlin
Diplomanden um jeden Preis produziert. Gleichzeitig sucht ganz Deutschland
so händeringend nach Berufsschullehrern, dass Leerstellen neuerdings
durch Sondermaßnahmen (Einstellung von pädagogisch nicht
ausgebildeten Diplom-Ingenieuren, Umschulung von Grundschullehrern)
aufgefüllt werden. Bundesweit werden immer mehr Stimmen laut,
die einen chronischen Berufsschullehrermangel prognostizieren. Mit
deren Ausbildung kann man sich als Hochschule jedoch nicht profilieren
...
Dementsprechend wurden die Studiengänge mit dem Studienziel
"Studienrat mit einer beruflichen Fachrichtung" in den
letzten Jahren eher geduldet als gefördert. Die Ausbildung
der Berufsschullehrer (TWLAKs) ist nicht in der günstigen
Lage, eine eigene Wissenschaft zu bekleiden. Die Studierenden
müssen "besuchsweise" ihre Pflichtveranstaltungen
an den unterschiedlichsten Fachbereichen abgreifen. Da die Studiengänge
- wenn möglich - fachwissenschaftlich an eine Basis-Ingenieurwissenschaft
(z. B. Elektrotechnik) angelagert wurden, war ihnen schon bisher
kein eigenes Budget vergönnt. Demzufolge haben die TWLAKs
keinen eigens zuständigen Fachbereich.
Um die Organisation auch fachbereichsübergreifend zu ermöglichen,
sind solche "Hybrid-Studiengänge" in so genannten
"Gemeinsamen Kommissionen" (GKSt) vertreten. Die für
TWLAKs zuständige GKSt hat diese Problematik schon seit Jahren
diskutiert und immer wieder angesprochen, doch trotz allgemein
positiv lautenden Äußerungen des Präsidiums machte
sich eher Stagnation breit. Am massivsten trifft es den Studiengang
"Gestaltungstechnik".
Er soll Berufsschullehrer für den Fachbereich "Farbtechnik
und Raumgestaltung" ausbilden, in dem Lehrlinge aus dem Maler/Lackierer-Handwerk
unterrichten werden. Diesen Studiengang bieten bundesweit nur
fünf Universitäten an. Ihn unterscheidet vor allem,
dass er nicht einmal eine Basis-Ingenieurwissenschaft aufweisen
kann. Das Fachwissenschaftsstudium ruht laut Lehrerprüfungsordnung
auf zwei Prüfungsbereichen. Für einen der beiden werden
Lehrveranstaltungen schon seit 1998 ohne professorale Führung
nur noch über Lehraufträge aufrechterhalten. Die Veranstaltungen
des zweiten Bereichs wurden bisher über einen Kooperationsvertrag
mit der Hochschule der Künste
(HdK) durch zwei Professoren notgedrungen abgedeckt, von denen
einer schon seit geraumer Zeit pensioniert ist und diese Lehraufträge
unentgeltlich annimmt. Der andere geht nächstes Semester
ebenfalls in Rente. Damit läuft benannter Kooperationsvertrag
aus und wird voraussichtlich nicht erneuert werden können.
Durch die Umstrukturierung fallen die Fachbereiche nun den größeren
Fakultäten anheim. Dabei stellt sich erneut die Finanzfrage.
Sämtliche Sonderlehraufträge sollen künftig von
der GKSt finanziert werden, der anscheinend nicht mal ein eigenes
Budget zugestanden wird.
Wir als Studierende fühlen uns von der Universitätsleitung
reichlich im Stich gelassen. Wir fordern mindestens eine für
uns zuständige Professur und aus fachpraktischen Gründen
zusätzlich die Stelle eines Studienrates im Hochschuldienst.
Aus ersichtlichen Gründen hat sich ein Krisenrat aus unseren
Reihen rekrutiert, der bereits im November letzten Jahres neben
einem schon vorhandenen Memorandum eine Protestnote entworfen
hat. Diese wurde zweimal dem Akademischen Senat
im Zuge einer mündlichen Anfrage vorgelegt, eine Beantwortung
steht nach wie vor aus. Angesichts dieser und zahlreicher anderer
Aktivitäten konnten wir Vizepräsident Prof. Dr. Kurt
Kutzler nur die Aussage abringen: "Wir lassen Sie nicht im
Regen stehen" - was auch immer das im Einzelnen zu bedeuten
hat.
Maik Hofmann
Leserbriefe
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