TU intern - Juli 2001 - Vermischtes
Das Allerletzte
Brötchen in der Euro-Falle
Morgens, 10 Uhr, in Deutschland. Die Brötchen liegen verführerisch
duftend im Holzkorb. Vereinzelt nascht eine Wespe am frischen
Kirschkuchen. Der Kaffee tröpfelt aus dem Automaten. Nein,
wir sind nicht bei Pro Domo im schicken München. Nein, die
Verkäuferinnen schmücken sich nicht mit gestärkten
Schürzen. Wir sind mitten in Berlin, Prenzlauer Berg - degradiert
zu einem Anhängsel von Pankow und nicht unbedingt berühmt
für die Backkunst seiner einheimischen Brötchenmeister.
Und doch ragt dieser eine Bäcker, vor dessen Verkaufstheke
Künstler, Handwerker und Arbeitslose den Schulterschluss
üben, aus dem grauen Einheitsteig preußischer Mischung
heraus. Und das hat einen besonderen Grund, der mir seit meinem
sonnabendlichen Besuch schwer im Magen liegt. Keine Frage, die
Brötchen - pardon Schrippen - sind nicht mit Luft gefüllt,
was Biss und Genuss ungemein erhöht. Letzterer wird nun aber
sofort in Richtung Frustgrenze gedrückt, sobald der Blick
über die Preisschilder schweift. Besagter Kirschkuchen und
die gelobten Schrippen wurden nämlich neu taxiert. Vielleicht,
so mein erster Gedanke, schwanken mal wieder die Aktien für
Mehl, Hafer und Hirse am Weltmarkt, und die Globalisierung schlägt
sich brutal im Kiez nieder. Armer Bäckermeister, denke ich.
Auf mein Konto gehen gleich zwei Schrippen mehr - ein Solidarakt
für den Mittelstand. Doch bevor ich meine Bestellung über
den Tresen brülle - immer penibel darauf bedacht, dass sächsische
Schimpfwort Semmeln nicht zu gebrauchen - dämmert es mir.
Dem ungewöhnlich hohen DM-Preis rücken wie selbstverständlich
die Euro-Zahlen auf den Leib. Und diese setzen zwischen Kirschen
und Pflaumen zum Siegeszug an. Nicht dass sich der freche Euro
den Zahlgewohnheiten der Kunden anpasst. Weit gefehlt. Die gute
alte D-Mark muss sich beugen und das am Ende ihrer doch so erfolgsverwöhnten
Karriere. Was für eine schreckliche Geschichte. 1,47 DM -
was für ein schrecklicher Preis für ein Kirschkuchen,
auch die Schrippe kostet nun 37 Pfennig. Der Euro buhlt mit rund
Zahlen - 60 Euro oder 80 Euro - um de Gunst der Hungrigen - die
Falle hat zugeschnappt und ich sitze mitten drin.
Guten Appetit!
stt
Leserbriefe
|