TU intern - Juni 2001 - Forschung

Antikrebsmittel aus Eibe-Nadeln

Forscher synthetisieren Taxol im Bioenzymreaktor


Dr. Jianjun Fang, Gastwissenschaftler aus Peking, Priv.-Doz. Dr. Rainer Zocher, Dr. Mirko Glinski (von links) vom Chemischen Institut der TU Berlin wollen ein hochwirksames Krebsmedikament mit Hilfe von Enzymen herstellen

Sie sind immergrün, tragen im Herbst leuchtend rote Früchte und bergen in ihrer knorrigen Haut eine Substanz, die Leben retten kann. Die "Wunderbäume" heißen Eiben. Im Laufe ihres Baumlebens lagern sie kontinuierlich Taxol in der Rinde ab.

Taxol ist das bisher wirksamste Zytostatikum, d. h. es hemmt die Zellteilung. Darauf reagiert die Zelle mit Apoptose, dem programmierten Zelltod. Ärzte setzen die Substanz seit Anfang der 90er Jahre sehr erfolgreich bei Brust- und Eierstockkrebs ein.

Fatalerweise sind es vor allem die besonders alten Bäume, die Taxol in höheren Konzentrationen angereichert haben. Zwei Gramm der Substanz sind nötig, um einen Krebspatienten zu therapieren. Um diese Menge zu gewinnen, müssen zwei alte Eiben ihre Rinde lassen. Die Taxol-Ressourcen sind also äußerst begrenzt, deshalb ist der Stoff auch sehr teuer, und nur wenige Patienten können damit behandelt werden.


Die Nadeln der Eibe haben es in sich …
Die Nadeln der Eibe enthalten zwar kaum Taxol, dafür aber einen Vorläufer, das Deacetylbaccatin (10-DAB). Auf chemischem Wege im industriellen Maßstab lässt sich daraus dass Taxol-Molekül nicht synthetisieren - dafür ist es zu kompliziert aufgebaut.

Doch eine Lösung des Problems ist in Sicht. Das "Werkzeug" für eine effektive Umwandlung liefert nämlich der Baum selbst - Enzyme. Das sind Eiweiße, die in Lebewesen Stoffwechselvorgänge katalysieren. Weil sie spezifisch nur mit einem bestimmten Partner reagieren, können sie ihn auch in Substanzgemischen erkennen.

Wissenschaftler wollen jetzt mit Hilfe von zwei Eibe-Enzymen Taxol aus den Nadeln herstellen. Damit wäre eine nachwachsende Ressource für das Antikrebsmittel erschlossen. An dem Projekt sind das Institut für Bioprozess- und Analysemesstechnik e.V., Heiligenstadt, das Institut für Bioanalytik, Umwelttoxikologie und Biotechnologie GmbH, Halle, die Pharmakologische Forschungsgesellschaft Biopharm GmbH Berlin und das Chemische Institut der TU Berlin beteiligt.

Die Forscher müssen zunächst die Gene für die Enzyme aus der Eibe isolieren und anschließend in einen Wirtsorganismus - das Bakterium Escherischia coli - übertragen. Dieser Vorgang wird als Klonierung bezeichnet. Die sich schnell vermehrenden Bakterien sollen dann die beiden Enzyme in großen Mengen produzieren. In einem Bioenzymreaktor wird schließlich die Taxol-Vorstufe in zwei Schritten von den Enzymen in Taxol umgewandelt.

Enzyme liefern nicht nur eine hohe Ausbeute, es fallen auch gleichzeitig keine Nebenprodukte an. Kein Wunder also, dass ihr Einsatz für die Synthese komplexer Biomoleküle zu den Zukunftstechnologien gehört. Die am Projekt maßgeblich beteiligte Arbeitsgruppe von Dr. Rainer Zocher ist Mitglied des Biotechnologie-Centrums der TU Berlin und beschäftigt sich schon seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Thema. So hat die Gruppe u. a. Cyclosporin enzymatisch im Reagenzglas synthetisiert, das weltweit als hochwirksames Medikament zur Unterdrückung der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantationen eingesetzt wird. Kürzlich gelang es auch in Zusammenarbeit mit der Firma Bayer AG Leverkusen auf diesem Wege ein neuartiges Antiwurmmittel (PF 1022A) herzustellen, das 2002 auf den Weltmarkt kommt.

Das Taxol-Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und ist zunächst für zweieinhalb Jahre ausgelegt. Es ist so konzipiert, dass die Klonierung an der TU Berlin in Zusammenarbeit mit dem IBF durchgeführt wird, während die Konzipierung des Bioreaktors am IBA erfolgen soll. Mit Verkauf und Marketing ist die Biopharm GmbH betraut.

Bettina Micka


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