TU intern - Juni 2001 - Hochschulpolitik

Gestalten statt klagen

Prof. Kutzler über Berufungspolitik und Berlin


Vizepräsident Prof. Dr. Kurt Kutzler ist zuständig für Entwicklungsplanung, Forschung und Berufungsangelegenheiten
Der Generationswechsel bei den Hochschullehrern der TU Berlin findet in einer Zeit statt, in der das Land Berlin vor einem riesigen finanziellen Loch steht. Parallel dazu werden die Hochschulverträge und die damit verbundenen Geldzuweisungen für die Jahre 2003 bis 2005 im politischen Raum verhandelt. Neupositionierung durch Berufungspolitik in angespannten finanziellen Zeiten - so könnte man das Tagesgeschäft von Prof. Dr. Kurt Kutzler umschreiben. Der 1. Vizepräsident der TU Berlin ist für Entwicklungsplanung, Forschung und Berufungsangelegenheiten zuständig. "Wir brauchen junge, risikofreudige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dieser Prozess ist eine gute Chance für eine neue Generation, und der Standort Berlin zeigt sich als Verbündeter im Wettstreit um die besten Köpfe - auch international", sagt er.

Rund 190 Professuren stehen bis 2005 an der TU Berlin zur Wiederbesetzung an bzw. sind vakant. Wie ist es möglich, angesichts des Spardruckes in Berlin gute Leute für diese Universität, für diese Stadt zu finden?

Berlin ist durch seine Hauptstadtfunktion ein höchst attraktiver Ort geworden. Auch in der Hochschulrektorenkonferenz wird das so gesehen. Natürlich haben die Südländer die Nase vorn, doch Berlin entwickelt sich. Obwohl das Land sich in einer sehr angespannten finanziellen Lage befindet, sehe ich gute Chancen, junge, risikofreudige Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftler für den Hochschulstandort zu gewinnen. Was wir brauchen, sind junge kreative Köpfe, die neue Ideen mitbringen oder entwickeln und die Fähigkeit besitzen, andere Finanzquellen als die der Landeskasse zu erschließen. Sie kommen natürlich nur nach Berlin, wenn das Arbeitsklima stimmt, wenn Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Forschungseinrichtungen, mit der Industrie und auch mit der Bundespolitik gewährleistet sind. Insofern bin ich optimistisch. Betonen möchte ich aber auch, dass die bei den Vertragsverhandlungen als Rechengröße benannte durchschnittliche Ausstattungssumme von 500.000 DM pro Professur von Kennern der Szene als sehr bescheiden angesehen wird und dass sie mit Sicherheit nicht unterschritten werden darf.

Das eine ist das Umfeld, das andere sind die Finanzen …

Sollten wir stabile Finanzzuweisungen bekommen, dann sehe ich Chancen für eine erfolgreiche Berufungspolitik. Das würde für uns eine Aufstockung der Investitionsmittel für die Jahre 2003 bis 2005 bedeuten. Doch das eine sind Gelder für Einrichtungen und Geräte, das andere ist die personelle Ausstattung für eine Professur. Angesichts des Personalüberhangs, den wir in der Universität haben, erwarte ich eine Solidarleistung der "alten" Fachgebiete. Sie sollten Mittel an die neu besetzten Professuren abgeben, um diesen neuen Fachgebieten eine gute Startchance zu geben.

Das wird doch bestimmt ein schwieriger Prozess?

Ja, aber die "alten" Fachgebiete müssen sich darüber klar werden, dass sie von den neuen profitieren werden. Wenn sie gute, wettbewerbsfähige Kollegen und Kolleginnen bekommen, verbessert das den Ruf ihrer Fakultät und die leistungsbezogene Ausstattung das fachliche Umfeld.

Mit wenig Geld innerhalb der nächsten fünf Jahre die Weichen für die kommenden 20 Jahre zu stellen ist eine Kunst des Sparens. Es gibt unterschiedliche Arten zu sparen - von welchen Prämissen lassen Sie sich leiten?

Für mich hat Berufungspolitik in der Hochschule absolute Priorität. Das sage ich nicht, weil es mein Ressort ist, sondern weil es hier gilt, die Grundsubstanz der Universität für Lehre und Forschung aufzubauen. Sparen bedeutet, Geld sehr vernünftig und bedacht auszugeben und darauf zu achten, dass dieses Geld in vervielfachter Weise zurück fließt. "Es muss Junge kriegen." Daher ist es bei den Berufungsverhandlungen mein Ziel, die Zusage von Geld oder Personal immer auch an eine Leistungszusage durch den Berufenen zu koppeln. Nicht umsonst haben die investiven Mittel bei fast allen Berufungen einen leistungsbezogenen Anteil. Dabei verpflichtet sich der Berufene in den Zielvereinbarungen je nach Fachgebiet, ein bestimmtes Vielfaches der gegebenen Investitionsmittel als Drittmittel in einem bestimmten Zeitraum wieder einzuwerben. Auch im Verhältnis zwischen Universitätsleitung und Fakultäten wollen wir künftig die Leistungskomponenten noch stärker betonen. Die Fakultäten, so ist meine Vorstellung, bekommen für zusätzliche Leistungen wie messbare Verkürzung der Studienzeiten oder andere Reformen Geld, das sie dann auch für die Ausstattung der Neuberufenen einsetzen können.

Sie sprachen in diesem Zusammenhang - und das haben Sie auch im Akademischen Senat angemahnt - von Prioritätenlisten, die aus den Fakultäten kommen sollen. Wie weit steht es damit?

Die Fakultäten befinden sich in einem Umdenkprozess. Zum Teil herrscht auf Grund überkommener Mentalität die Überzeugung, dass der Präsident hilft, wenn kein Geld mehr da ist. Diese Zeiten sind vorbei. Die Fakultäten sind für ihren eigenen Haushalt, für ihr Tun und Lassen selbst verantwortlich. Das ist ein schwieriger Veränderungsprozess, und einige Fakultäten haben sich im Rahmen der Aufgabe, Prioritäten bei den Berufungsverfahren zu setzen, schlichtweg verweigert. Kommen aus ihren Reihen keine Vorschläge, so kann das nur von Nachteil für sie und ihre künftige Ausstattung sein.

Prioritätensetzung hat auch immer etwas mit Strukturierung zu tun.

Im Moment geht es um die Reihenfolge und den zeitlichen Ablauf von Berufungen. Möglicherweise können wir nicht alles auf einmal leisten, und wir müssen Verfahren strecken, um das Finanzloch zu umgehen - auch das gehört zu einer Prioritätensetzung. Für strukturelle Maßnahmen führen wir einen extra Prozess durch. Mit neuen Überlegungen für den Ausstattungsplan, der 2003 auf dem Tisch liegen soll, werden wir entscheiden, wie sich die TU Berlin strukturell weiter entwickeln soll. Meines Erachtens ist die Universität mit ihrem Strukturplan von 1998 aber bereits soweit abgespeckt, dass es in den Fakultäten keinen Spielraum gibt.

Wie schätzen Sie die Qualität der Bewerberinnen und Bewerber ein?

Besonders freut mich, dass wir Professorinnen gerade in männerdominierten Bereichen für die TU Berlin gewinnen konnten - beispielsweise in der Konstruktionslehre oder Chemie. Wir sind auch internationaler geworden und konnten Kollegen aus Schweden und England berufen. Im Vorfeld einer Berufung empfehle ich den Fakultäten, nicht nur ein Fachgebiet detailliert zu beschreiben, sondern auch zu prüfen, ob hierfür ein Bewerberpotenzial da ist.

Welchen Wissenschaftlertyp wünschen Sie sich für die TU Berlin?

Ich erwarte mir eine möglichst junge Person, mit hohen ersten Qualifikationen, mit einem steilen wissenschaftlichen Leistungsgradienten, mit sehr guten pädagogischen Fähigkeiten und mit Spaß an der Sache. Die neue Kollegin, der neue Kollege sollen sich auch für die Universität engagieren. Mein Leitsatz lautet: Nicht mehr klagen, sondern gestalten, dann schaffen wir es.

Das Gespräch führte Stefanie Terp


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