TU intern - Juni 2001 - Alumni

Meinungen aus der Praxis

Ingeborg Ahlers

Pralinenschachtel Wissenschaft

Mit 42 Jahren beruflich noch mal ganz von vorne anfangen - mancher träumt vielleicht insgeheim davon, doch nur wenige haben tatsächliche den Mut dazu. Ingeborg Ahlers hatte ihn. Sechs Jahre drückte sie noch mal die "Schulbank" an der TU Berlin und wurde Psychologin.

Frau Ahlers, 1935 in München geboren, kam im Alter von zwei Jahren mit ihren Eltern nach Berlin. Nach dem Abitur begann sie 1957 Germanistik an der Freien Universität Berlin zu studieren. Zu dieser Zeit gab es aber noch Studiengebühren. Die konnte sie schließlich nicht mehr zahlen und musste deshalb nach drei Jahren ihr Studium abbrechen. "Das war eine traurige Erfahrung", erinnert sie sich, "und deshalb bin ich auch heute noch strikt gegen Studiengebühren."

Ihren Lebensunterhalt verdiente Ingeborg Ahlers dann mit einer Hausverwaltung.

Dass sie sich irgendwann mit dem Werk von C. G. Jung befasste, sollte ihr Leben verändern. "Ich wusste nicht, was ich davon glauben sollte, und was nicht. Deshalb suchte ich jemanden, mit dem ich darüber reden konnte", erklärt sie. Kurzerhand schrieb sich Frau Ahlers an der TU Berlin als Gasthörerin ein. In der Vorlesung über Tiefenpsychologie wurde Jung dann in einer Doppelstunde abgehandelt. "Das war zwar enttäuschend, aber es gab dafür viel anderes Interessantes", erinnert sie sich, "das Institut für Psychologie in der Dovestraße war für mich geradezu wie eine Pralinenschachtel des Wissens."

Schließlich sagten die Studenten zu ihr: "Du bist so engagiert, warum studierst du nicht?" Also begann sie 1977 mit dem Studium. Unter den Studenten fühlte sie sich voll integriert, obwohl alle 15 bis 20 Jahre jünger waren, sodass sie manchmal fast ihr Alter vergaß. "Es war die schönste Zeit in meinem Leben", resümiert sie.

Das Studium finanzierte sich Frau Ahlers zunächst mit ihrer Hausverwaltung und später als Tutorin. Ihre Studienschwerpunkte waren Arbeits- und Organisationspsychologie sowie psychische Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. Auf letzterem Gebiet schrieb sie auch ihre Diplomarbeit. 1983 schloss sie ihr Studium mit dem Prädikat "sehr gut" ab. Das Institut für Psychologie bezeichnet sie heute als ihre geistige Heimat.

Nach dem Studium war sie zunächst zwei Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Rechtswissenschaft, Fachrichtung Rechtssoziologie der Freien Universität Berlin. Danach kehrte sie an die TU Berlin zurück und bearbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Politikwissenschaft das DFG-Forschungsprojekt "Führung und Kommunikation in der Ausbildung", für das sie selbst gleich nach dem Studium den Antrag geschrieben hatte. Parallel dazu hatte sie einen Lehrauftrag an der Hochschule der Künste. Ihre Forschungsergebnisse wurden 1995 in dem Band "Demokratie lernen im Alltag?", herausgegeben von S. Harbordt und D. Grieger, publiziert.

Als das Projekt beendet war, wurde Frau Ahlers zunächst arbeitslos. "Ich fühlte mich auf der Höhe meiner wissenschaftlichen Schaffenskraft und dann gab es plötzlich nichts mehr zu tun", sagt sie. Eine ABM-Stelle bot nur eine kurzfristige Überbrückung.

Sie bildete sich weiter, suchte nach neuen Betätigungsfeldern. "Erst sind Arbeitgeber am Telefon begeistert von meinen Fähigkeiten und Kenntnissen, aber wenn ich sage, wie alt ich bin, gehen überall die Rollläden runter", beschreibt sie ihre Erfahrungen.

Ingeborg Ahlers hat aber nicht resigniert. Auch nachdem sie 1999 berentet wurde, wollte sie sich nicht aufs Altenteil zurückziehen. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ist sie in deren Expertendatenbank Ansprechpartnerin für "Jugend" und "Arbeit". Außerdem ist sie Vertrauensfrau der Gewerkschaft ver.di (Senioren-City). Zusammen mit ver.di ist auch ein Seminar zur Fortbildung für Ausbilderinnen geplant, bei dem sie die Leitung übernehmen soll.

Aber eigentlich sucht sie immer noch eine interessante Halbtagsstelle - am liebsten ein Lehramt in der Forschung.

Bettina Micka


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