TU intern - Mai 2001 - Alumni

Meinungen aus der Praxis

Bernhard O. Gramberg

Informatik - kriminalistisch betrachtet

Wer in der Broschüre zu öffentlich bestellten Sachverständigen Berlins in der Rubrik "Computersoftware und Programmiertechnik sowie Bewertung von EDV-Anlagen" nachschlägt, findet dort zwei Namen. Einer davon: Bernhard Gramberg.

Der aus Mannheim stammende, selbstständige Informatiker, Jahrgang 1953, hat diese Funktion jetzt seit 17 Jahren inne. Grundlage für die "öffentliche Bestellung" waren eine erfolgreich abgelegte Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer, langjährige Berufserfahrung und ein Informatik-Studium. Das absolvierte er von 1972 bis 1978 an der TU Berlin.

Als er sich für die TU entschied, wusste Gramberg noch nicht, dass es mit dem Informatik-Studiengang hier etwas Besonderes auf sich hatte. "Ich wählte Berlin als Studienort, weil ich das Studium dem Wehrdienst vorzog", erklärt er.

An der TU Berlin hatte der NORIS-Kreis (Neuordnung des Informatik-Studiums) erstmals in Deutschland einen modernen, wirklich eigenständigen Studiengang für Informatik geschaffen. An allen anderen Hochschulen war das Fach zusammengewürfelt aus etwas Mathematik, Physik und Elektrotechnik. Bernhard Gramberg war einer der Ersten, die in den Genuss dieser Neuordnung kamen. "Hätte ich an einer anderen Uni nach dem alten Modell studieren müssen, hätte ich das Studium womöglich sogar abgebrochen", meint Gramberg. In dem reformierten Studiengang fühlte er sich aber sofort am richtigen Platz: "Informatik wurde erstmals losgelöst von Hardware betrachtet", erinnert er sich, "und es wurden Themen gelehrt, die heute noch aktuell sind. Alles war sehr praxisorientiert." Auch der Studienablauf war sehr modern: weniger Vorlesungen, dafür mehr Arbeit in Kleingruppen und Tutorien. "Diesen Aufbau finde ich auch heute noch sinnvoll, weil man eben Informatik nicht alleine betreiben kann", meint Gramberg.

Zur Informatik kam er, weil er sich für Mathematik interessierte. Studieren wollt er das Fach aber nicht, weil es ihm zu theoretisch war. In einer Broschüre des Arbeitsamtes fand er unter dem Stichwort "Mathematik" einige Seiten zur Informatik. Die steckte Anfang der 70er Jahre noch in den Kinderschuhen. "Deshalb musste ich auch während meines Studiums meinen Verwandten ständig erklären, was das ist und wie man ein ganzes Studium damit zubringen konnte."

Gramberg verlegte sich aber nicht ausschließlich aufs Studieren. Schon ab dem dritten Semester war er als wissenschaftliche Hilfskraft zuständig für die Rechnerbetreuung im Sonderforschungsbereich Fertigungstechnik. Seit dem fünften Semester war er dann Tutor am Institut für Softwaretechnik.

Nicht nur der Studiengang, auch die Prüfungsordnung für Informatik war zu der Zeit etwas Besonderes, d. h. sehr liberal. Auf Grambergs Abschlusszeugnis steht nur "hat bestanden". Noten gab es nicht, dafür aber eine ausführliche Beurteilung durch einen Hochschullehrer. Nach dem Studium ging es gleich nahtlos in den Beruf - zunächst für drei Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Forschungsprojekt "ELAN" ans Institut für Softwaretechnik der TU Berlin. Danach arbeitete er bei der Software-Firma Epsilon, einer der ersten Spin-offs der TU Berlin. Als Freiberufler war er dann für die Firmen Diebolt und Siemens tätig.

Seine jetzige Gutachtertätigkeit macht ihm besonderen Spaß, weil es dabei auch auf psychologisches und kriminalistisches Gespür ankommt. Einerseits beurteilt er für Gerichte Mängel an Programmen, andererseits klärt er für Versicherungen mutmaßliche Haftpflicht-Betrugsfälle auf.

Auch wenn Bernhard Gramberg sich in seinem Beruf hin und wieder eine Auszeit nehmen kann, so sind es doch meist nur wenige Tage und nicht zwei Wochen am Stück. Von seinem Segelschein kann er, wie er bedauernd feststellt, derzeit also wenig Gebrauch machen. Und so ist sein größtes "Hobby" im Moment seine 15-jährige Tochter. "Aber später", so hat er sich vorgenommen, "da werde ich mir fürs Segeln mehr Zeit nehmen."

Bettina Micka


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