TU intern - Mai 2001 - Hochschulpolitik
Große Veränderungen in der Lehre
Gestufte Studiengänge und Studiendekane auf der Tagesordnung
Vizepräsident Prof. Dr.-Ing. Jürgen Sahm ist zuständig
für die Angelegenheiten von Lehre und Studium |
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Prof. Dr.-Ing. Jürgen Sahm
ist seit April 1999 als 2. Vizepräsident der TU Berlin zuständig
für Lehre und Studium sowie Weiterbildung. Im Januar dieses
Jahres wurde er für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt.
TU intern befragte ihn zu seinen Aufgaben und Zielen in der nächsten
Amtsperiode.
Herr Prof. Sahm, nach dem Stern-Ranking
liegt die TU Berlin überall nur im Mittelfeld. Negativ fallen
die langen Studienzeiten in Geschichte und Psychologie auf. Entsprechen
die im Ranking dargestellten Defizite auch Ihrem Bild?
Es handelt sich ja um objektive Zahlen, die auf Daten zurückgehen,
die wir geliefert haben. Ich möchte das Bild aber etwas korrigieren.
Die Erhebung hat auch gezeigt, dass viele Fächer in Bezug
auf Forschung einen guten Leumund haben. Die langen Studienzeiten
und die teilweise negative Bewertung durch die Studenten sind
aber tatsächlich ein Problem. Ich habe mir vorgenommen, mit
den Fakultäten darüber zu reden, welche Möglichkeiten
es gibt, die Situation zu verbessern. Mit dem Problem der zu langen
Studienzeiten habe ich schon vor 15 Jahren Erfahrungen gesammelt.
Damals hat die Sensibilisierung dafür bei allen Beteiligten
von den Studenten bis zu den Professoren dazu geführt, dass
die Studienzeiten innerhalb kurzer Zeit zurückgegangen sind.
Die Entwürfe für die Hochschulverträge sehen
vor, die herkömmlichen Studiengänge (Diplom, Magister)
zu modularisieren und nach jedem Modul eine Zwischenprüfung
einzuführen. In Amerika ist das ein Rezept für kürzere
Studienzeiten. Was halten Sie davon? Wie beabsichtigen Sie, an
der TU die Studienzeiten zu verkürzen?
Modularisierung halte ich für eine sehr wichtige Maßnahme.
Künftig werden wir auch verpflichtet sein, alle Studiengänge
zu modularisieren und mit Leistungspunkten zu versehen. Das dient
der internationalen Vergleichbarkeit. Ich denke, das allein hat
aber keinen Einfluss auf die Studienzeiten. Durch Prüfungen
nach Ende jedes Moduls ließe sich aber die Prüfungsvorbereitungszeit
am Ende des Studiums, die ein bis drei Semester betragen kann,
einsparen. Das könnte also durchaus zu kürzeren Studienzeiten
führen.
Wie stehen Sie zu den Bachelor- und Master-Abschlüssen?
Wird der Dipl.-Ing. an der TU Berlin erhalten bleiben?
Wenn immer mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen, wird sich
die Gesellschaft überlegen müssen, ob sie eine lange
Ausbildung für jeden finanzieren will und kann. Auch die
Wirtschaft ist sicher daran interessiert, dass Akademiker schon
in jungen Jahren einsteigen. Ich kann mir also vorstellen, dass
es in vielen Fällen sinnvoll ist, eine gestufte Ausbildung
anzubieten. Der größere Teil der Studierenden könnte
also mit einem Bachelor abschließen und besonders Interessierte
könnten nach einer Praxisphase ein Masterstudium anschließen.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Industrie in einigen
Fällen dieses Masterstudium bezahlt. Für die Ingenieursausbildung
hat die Arbeitsgemeinschaft TU/TH vorgeschlagen, Bachelor- und
Masterstudiengänge einzuführen, wobei der Masterabschluss
dann dem Diplomingenieur entspricht und auch so heißt. Ich
finde das nicht unvernünftig, weil es deutlich macht, dass
das Diplom, was wir ausbilden, eine anspruchsvolle Ausbildung
ist.
Welche Bachelor- und Master-Studiengänge gibt es bereits
an der TU und welche werden in nächster Zeit eingeführt?
Es gibt bereits seit zwei Jahren einen Master-Studiengang "Global Production Engineering".
Die Akkreditierung wird gerade beantragt. Ein weiterer Master-Studiengang
ist "Polymer Science"
gemeinsam mit FU, Humboldt-Universität
und Universität Potsdam.
In Vorbereitung ist ein Bachelor- und Masterstudiengang für
Chemie, der das Diplomstudium ablöst. Elektotechnik wird
den Bachelor und Master parallel zum Diplom anbieten. Auch Informatik,
Technische Informatik und Mathematik bereiten die neuen Studiengänge
vor. In den Geisteswissenschaften sehe ich derzeit leider noch
wenig Initiativen, obwohl mir die Einrichtung gestufter Studiengänge
dort viel leichter erscheint als in den Ingenieurwissenschaften.
Welche Zielvereinbarungen wird es im Bereich der Lehre mit
den Fakultäten geben?
Die sind noch in Vorbereitung. Die ersten Zielvereinbarungen wird
es wohl mit der Fakultät III
geben. Das Problem ist aber, dass wir kaum zusätzliche Mittel
haben, um besondere, neue Leistungen zu honorieren. Wir müssen
also sagen, was wir von den Fakultäten erwarten - mit der
Ausstattung, die sie im Moment haben.
Wird Lehre ein Maßstab für Mittelvergabe werden?
Was werden dann konkrete Kriterien sein?
Im Wintersemester hat der Akademische Senat
bereits über Kriterien für die Lehrleistung diskutiert,
um damit die Mittelverteilung zu steuern. Da gab es aber noch
keinen Konsens. Es gibt im Moment eine Arbeitsgruppe, die sich
mit diesem Thema befasst. Sie wird in absehbarer Zeit nach Abstimmung
mit den Fakultäten einen Entwurf in den Akademischen Senat
einbringen. Ich hoffe, dass das bis zum Ende des Sommersemesters
gelingt. Ein Punkt wird wahrscheinlich ein Belastungskriterium
sein, denn Lehrleistung ist nicht nur eine Frage der Qualität,
sondern auch der Quantität. Und dann soll es natürlich
auch Qualitätskriterien geben. Der AS hat dafür vor
einem Jahr Leitlinien für die Weiterentwicklung von Studiengängen
beschlossen, deren Umsetzung dann überprüft werden kann.
Immer mal wieder wird die mangelnde Didaktik beklagt. Sehen
auch Sie hier noch Defizite und wie können diese gegebenenfalls
beseitigt werden?
Das ist ein sehr wichtiger Punkt, obwohl das Thema so alt ist
wie die Hochschulen selbst. Wir wollen versuchen, mehr dafür
zu tun als in der letzten Amtsperiode über den Bereich der
Weiterbildung. Hierfür gibt es ja Angebote an der TU. Das
Problem ist sicher ein persönliches: Wenn jemand z. B. zehn
Jahre in der Industrie war und hohe Ämter bekleidet hat,
ist er nicht ganz so leicht zu bewegen, sich noch mal auf die
Schulbank zu setzen und sich sagen zu lassen, wie man eine Vorlesung
hält.
Was wir vor allem tun können, ist, den wissenschaftlichen
Mitarbeitern, die sich habilitieren wollen, die Angebote stärker
schmackhaft zu machen. Längerfristig exportieren wir allerdings
auf diese Weise nur didaktisches Know-how, denn Professuren werden
sie meist an anderen Universitäten bekommen. Aber vielleicht
ist das ein Angebot an die bundesweite Hochschullandschaft.
Was beabsichtigen Sie in Hinblick auf die Internationalisierung
der TU zu tun?
Ein Punkt ist sicher der mit 20 Prozent höchste Anteil ausländischer
Studierender in Deutschland, wenn man mal von der Universität Frankfurt (Oder)
absieht, der zu einer multikulturellen Gesellschaft an unserer
Universität führt. Da haben wir eine gute Ausgangsposition
und möchten das auch weiter ausbauen. Ein anderer Punkt ist,
dass wir auch die Lehre internationaler ausrichten wollen. Dazu
sollen in Zukunft stärker als bisher ausländische Hochschullehrer
berufen werden. Lehrangebote gibt es zwar bereits auf Englisch,
aber damit gibt es auch Probleme. Eine Umfrage in der Elektrotechnik
hat ergeben, dass die ausländischen Studierenden - es sind
hier 40 Prozent -, die gerade mit Mühe Deutsch gelernt haben,
durch Lehrveranstaltungen auf Englisch erhebliche Zusatzprobleme
hätten. Wichtig ist uns, die Studierenden dazu zu bewegen,
zum Studieren oder für ein studienbezogenes Praktikum für
einige Zeit ins Ausland zu gehen, denn das befördert den
Blick über den Tellerrand hinaus. Auch das wird wahrscheinlich
in den Zielvereinbarungen stehen.
Welche Vorhaben wollen Sie in der nächsten Amtsperiode
außerdem umsetzen?
Wir wollen die Fakultäten dazu anregen, Studiendekane einzusetzen.
Das ist ein Instrument, was es bisher an der TU nicht gibt. Die
Fakultäten sollen die Möglichkeit haben, Personen definitiv
zu beauftragen, sich speziell um die Lehre zu kümmern. Dazu
müssen wir eine Änderung im Berliner Hochschulgesetz
beantragen.
Leserbriefe
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