TU intern - Mai 2001 - Forschung

Verkehrsleitsysteme

Straßen aus der Luft gesehen

Wohin denn nun, rechts oder links?" Während der Fahrer gehetzt in den Rückspiegel blickt, wühlt der Beifahrer verzweifelt im Stadtplan. Über 40 Millionen PKWs sind auf deutschen Straßen unterwegs. Und immer mehr Autofahrer verzichten auf den Stress, die beste Route alleine zu finden: Ungefähr eine Million deutscher Autos, so schätzt der ADAC, lassen heute den Computer über die Route entscheiden. Die Navigationssysteme der Zukunft sollen nicht nur die Fahrtrichtung, sondern auch die Fahrweise bestimmen. Eine Geografin der TU Berlin beschäftigt sich mit der Frage, wie man an die dafür nötigen Informationen kommt, und arbeitet dafür mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammen.

"Hinter jedem Navigationssystem verbirgt sich eine riesige Datenbank, die ständig aktualisiert werden muss", sagt Ilka May, die für ihre Doktorarbeit am Institut für Geographie der TU Berlin bewusst ein praxisorientiertes Thema gewählt hat. "Das Navigationssystem benötigt nicht nur Informationen über den Straßenverlauf, sondern zum Beispiel auch über Einbahnstraßen und verkehrsberuhigte Zonen." Auch zeitlich begrenzte Verbote, zum Beispiel beim Abbiegen, müssen dem System nach Möglichkeit bekannt sein.

Bislang werden diese Daten beschafft, indem man vorhandene Karten digitalisiert oder ganze Strecken mit dem Auto abfährt und die Informationen elektronisch aufzeichnet. "Die Resultate weichen leider manchmal von der Realität ab", sagt Ilka May. Die Erfassung der Straßenverhältnisse aus der Luft verspricht in vieler Hinsicht mehr Genauigkeit. Das in Berlin ansässige Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat - eigentlich für eine Marsexpedition - eine hoch auflösende Kamera entwickelt, deren Bilder Ilka May in ihrer Dissertation analysiert. Die Kamera wird an einem Flugzeug angebracht und zeichnet während des Überfliegens Bilder des Gebietes auf. Diese können dann in digitalem Format vom DLR-Server heruntergeladen werden: "ein enormer Vorteil, denn Bilder, die man zum Beispiel beim örtlichen Katasteramt bezieht, müssen meistens erst noch eingescannt werden", so Ilka May.

Für ihre Untersuchung hat sie ein Gebiet in Berlin-Mitte ausgewählt. Um die Qualität der Flugzeugscannerdaten zu bewerten, stellte ihr das niederländische Unternehmen NavTech, das Navigationstechnologien entwickelt, seine Datensätze des Areals zur Verfügung. Straßen werden auf den vereinfachten Karten eines Navigationssystems als Vektoren, also als Pfeile mit bestimmter Richtung dargestellt. Da diese Karten in derselben geografischen Projektion wie die Bilder der Flugzeugkamera vorliegen, konnte Ilka May die Daten visuell vergleichen. "Ich lege die Bilder eines Areals übereinander und kann so die Abweichungen direkt sehen", erklärt sie. "Die Bilder der Flugzeug-Kamera sind sehr genau, ein Bildpixel repräsentiert je nach gewählter Auflösung 20, 30 oder 50 Zentimeter."

Für bisher existierende Navigationssysteme spielt ein so hohes Maß an Genauigkeit noch keine große Rolle. Doch arbeiten die Hersteller wie Blaupunkt, Phillips oder BMW inzwischen an Systemen, die über die Routenbeschreibung hinaus noch weitere Informationen geben können. In ein bis zwei Jahren sollen diese fortschrittlicheren Versionen auf den Markt kommen. "Ein modernes System könnte zum Beispiel vorausschauendes Fahren unterstützen, indem es den Fahrer auffordert, vor einer steilen Kurve die Geschwindigkeit zu drosseln oder sich vor dem Abbiegen rechtzeitig einzuordnen", sagt Ilka May. "Wenn das funktionieren soll, darf allerdings die der Navigation zu Grunde liegende Vektorkarte nicht mehr als einen Meter von der Realität abweichen", so die Jungwissenschaftlerin. Auch wenn das ständige Abfliegen ganzer Landstriche noch sehr kostspielig erscheint - Ilka May ist überzeugt, dass die Methode konkurrenzfähig ist.

Über mangelndes Interesse an ihrem Dissertationsthema kann sich Ilka May jedenfalls nicht beklagen: Obwohl sie die Arbeit erst in einem halben Jahr abschließen will, hat sie heute schon mehrere Job-Angebote auf dem Tisch. Das nächste Projekt ist auch schon in Planung: "Ich werde mir ansehen, wie man mit Hilfe der Luftkamera Aussagen über die Steigung von Straßen machen kann."

Claudia Wessling

www.tu-berlin.de/fb7/ifg/May.htm


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