TU intern - November 2001 - Hochschulpolitik
Kurzsichtige Finanzminister?
Keine Mehrausgaben für Bildung beschlossen
Die Finanzministerkonferenz der Länder hat im September
einstimmig beschlossen, dass sie für Ausbau und Reform von
Schulen und Hochschulen kein zusätzliches Geld ausgeben will.
Der Beschluss ist eine Stellungnahme zum Bericht der Bund-Länder-Kommission
für Bildungsplanung und Forschungsförderung BLK über
Zukunft von Bildung und Arbeit - Perspektiven von Arbeitskräftebedarf
und -angebot bis 2015.
Die BLK geht allerdings davon aus, dass nach dem Jahr 2010 der
steigende Bedarf an Hochschulabsolventen zu einer Unterdeckung führen
wird, insbesondere in zukunftsträchtigen Bereichen. Diese Entwicklung
könnte sich als Wachstumsbremse erweisen. Der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft
hält an, und der damit verbundene Strukturwandel setzt sich
fort. Der Trend geht einher mit steigenden Anforderungen der Qualifikationsstrukturen
und wird vor allem die Hochschulabsolventen begünstigen. Insbesondere
in den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, aber
auch bei wachstumsorientierten Naturwissenschaften, etwa der Biotechnologie,
werden innovative Dienstleistungsaufgaben entstehen, so die BLK.
Die Finanzminister argumentieren dagegen in ihrer Entscheidung
mit dem erheblichen Rückgang der Schülerzahlen ab 2005.
Nach ihrer Auffassung ließe sich aus dem BLK-Bericht kein
konkreter finanzieller Mehrbedarf begründen. Die Finanzminister
halten die betriebliche Lehre für eine in in weiten Teilen
gleichwertige Bildungsalternative.
Bremens Kultusminister Willi Lemke hat den Finanzministern Kurzsichtigkeit
vorgeworfen und verwies auf die Green-Card, die eingeführt
werden musste, um den Fachkräftemangel in Teilbereichen auszugleichen.
Außerdem bezog er sich auf Zahlen der OECD, denen zufolge
in Deutschland nur 16 Prozent eines Jahrgangs ein Studium abschließen,
in anderen Industrieländern dagegen teilweise mehr als 33 Prozent.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Annette Schavan
entgegnete auf den Beschluss der Finanzminister, dass Bildung, Ausbildung
und Forschung obenan zu stehen haben.
Auf ihrer Plenarsitzung Mitte Oktober 2001 in Stuttgart hat die
Kultusministerkonferenz eine Aussprache zur hochschulpolitischen
Einschätzung der im Mai 2001 veröffentlichten Prognose
der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen
bis 2015 geführt.
Nach 2015 wird es immer
weniger Studienberechtigte geben. Kann Deutschland in
Zukunft den steigenden Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften
noch decken? |
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Die Zahlen machen deutlich, so die KMK, dass im Prognosezeitraum
die Zahl der Studienanfänger bis 2008 noch einmal deutlich
ansteigen, dann aber bis 2015 in etwa auf den Wert von 1998 zurückgehen
wird. Über den Prognosezeitraum hinaus zeichnet sich demographisch
bedingt ein deutlicher Rückgang bei den Studienberechtigten
ab, dem aber eine steigende Nachfrage nach hoch qualifizierten Arbeitskräften
insbesondere in zukunftsträchtigen Bereichen gegenübersteht.
Angesichts dieser Prognoseergebnisse besteht in der KMK Einigkeit
darüber, dass nur ein ganzes Bündel von umgehend einzuleitenden
Maßnahmen dauerhaft zu einer Erhöhung der Studierquote
führen werde, wie z. B. die kontinuierliche Anpassung und Weiterentwicklung
der Studienstrukturen und -inhalte an die Bedürfnissen des
Arbeitsmarktes und attraktive Bildungsangebote der Hochschulen (z.
B. gestufte Bildungsgänge mit kürzerer Studienzeitdauer)
und dadurch Erhöhung der Erfolgsquote.
Die KMK betonte, dass die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und
die internationale Wettbewerbsfähigkeit entscheidend davon
abhängen, dass unsere Gesellschaft ein qualitativ hochwertiges
Bildungssystem hat. Gerade angesichts der demographischen Entwicklung
sind daher vielfältige Maßnahmen zur Sicherung und Steigerung
der Qualität und Innovationsfähigkeit unseres Bildungssystems
erforderlich. Wenn mittelfristig die Zahl der Schülerinnen
und Schüler sinkt, müssen diese besonders gut ausgebildet
werden. Gleichzeitig sehen sich die Hochschulen bis mindestens 2013
mit steigenden Studentenzahlen konfrontiert. Mit Blick auf den Beschluss
der Finanzministerkonferenz, betonte die KMK, dass Bildungsinvestitionen
Zukunftsinvestitionen sind und Zeiten rückläufiger Schülerzahlen
auch für qualitative Verbesserungen im Bildungssystem genutzt
werden müssen.
tui
Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen
bis 2015
|
1999
|
2008
|
2015
|
Studienberechtigte |
343000
|
100 %
|
373000
|
109 %
|
329000
|
96 %
|
|
Studienanfänger |
insgesamt |
291000
|
100 %
|
301000
|
103 %
|
274000
|
94 %
|
Uni |
199000
|
100 %
|
203000
|
102 %
|
184000
|
92 %
|
FH |
92000
|
100 %
|
98000
|
107 %
|
90000
|
98 %
|
|
Studierende |
insgesamt |
1773000
|
100 %
|
1813000
|
102 %
|
1782000
|
101 %
|
Uni |
1331000
|
100 %
|
1324000
|
99 %
|
1308000
|
98 %
|
FH |
442000
|
100 %
|
489000
|
111 %
|
474000
|
107 %
|
|
Absolventen |
insgesamt |
198000
|
100 %
|
210000
|
106 %
|
213000
|
108 %
|
Uni |
128000
|
100 %
|
136000
|
106 %
|
136000
|
106 %
|
FH |
70000
|
100 %
|
74000
|
106 %
|
77000
|
110 %
|
(Quelle: Kultusministerkonferenz)
Leserbriefe
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