TU intern - November 2001 - Nobelpreis

Nachgefragt:

Wie stehen Deutschlands Zukunftschancen für mehr Nobelpreise?

Hans-Jürgen Warnecke
Ernst-Ludwig Winnacker

Während sich zu Anfang des Jahrhunderts häufig deutsche Wissenschaftler über einen Nobelpreis freuen konnten, gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten nur noch selten deutsche Nobelpreisträger. TU intern bat deshalb Prof. Dr. Hans-Jürgen Warnecke, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V., und Prof. Dr. Ernst-Ludwig Winnacker, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft e. V., um eine Einschätzung, auf welchen Gebieten die Nobelpreischancen für Deutschland hoch sind und wie es wieder mehr deutsche Preisträger geben könnte.

Auf welchen Gebieten der Forschung ist Deutschland aus Ihrer Sicht derzeit eventuell nobelpreisträchtig?

Prof. Warnecke: Der Nobelpreis wird für Arbeiten gegeben, die eine neue, grundlegende Erkenntnis als Ergebnis haben. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat als Schwerpunkt die Angewandte Forschung und deren Umsetzung in der Wirtschaft. Wir müssen uns also an dem erzielten Ertrag, vor allem aus der Privatwirtschaft, hinsichtlich unserer Leistungsfähigkeit messen lassen. Unsere Finanzstruktur von 1,8 Mrd. DM je Jahr wird durch einen Grundzuschuss von Bund und Ländern, der ein Drittel unseres Finanzvolumens ausmacht, erreicht sowie zu zwei Dritteln durch eigene Erträge, wobei davon wieder zwei Drittel aus der Vertragsforschung mit der Wirtschaft kommen. Das übrige Drittel des Ertrages wird aus akquirierten Projekten in öffentlich geförderten Forschungsprogrammen meist im Zusammenwirken mit Industrie-Unternehmen erzielt. Grundlagenforschung kommt bei uns nur vor, wenn sie zum Erreichen einer Problemlösung erforderlich ist. Ihre Frage, auf welchen Gebieten die Forschung in Deutschland nobelpreisträchtig ist, kann also von mir nicht qualifiziert beantwortet werden, Universitäten und Max-Planck-Gesellschaft haben dazu einen weit besseren Überblick.

Prof. Winnacker: Der Nobelpreis wird unter anderem auf den Gebieten Chemie, Physik und Medizin verliehen. Deutschland ist auf jedem dieser Gebiete nobelpreisverdächtig.

Was müsste von Politik und Wissenschaftlern selbst getan werden, damit die deutsche Forschung international wieder besser abschneidet?

Prof. Warnecke: Sehr viele Nobelpreise gehen an die USA, jedoch sind häufig die Preisträger zugewanderte Ausländer, darunter auch eine nennenswerte Zahl ehemaliger Deutscher. Die Politik müsste dementsprechend die Zuwanderung exzellenter Wissenschaftler aus dem Ausland fördern und besonders bei Spitzenkräften mehr Freiraum in der persönlichen und sachlichen finanziellen Ausstattung geben. Die Wissenschaftler können sich m. E. nicht darauf zurückziehen, dass sie sagen, ja, wenn mir mehr Geld hätten, sondern müssen selbst, aber auch durch periodische externe Evaluierungen, die Effektivität und die Effizienz ihrer Forschungsarbeiten überprüfen.

Prof. Winnacker: Der Nobelpreis ist nicht das Maß aller Dinge. Deutschland ist durchaus konkurrenzfähig im internationalen Vergleich. Darüber hinaus gibt es viele Bemühungen und Bestrebungen um eine Verbesserung der Forschungsbedingungen. Denken Sie nur an die Juniorprofessuren oder das Emmy-Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft.


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