TU intern - November 2001 - Forschung
Internationales Fachkolloquium zur Restaurierung:
Das Brandenburger Tor - ein Dauerpatient?
Ein Tor der Verkleidungen: während
der Restaurierung 1956/57 und als Teletor 2001 |
Das Brandenburger Tor ist mehr als ein Baudenkmal. 1789 bis 1791
nach Plänen von Carl Gotthard Langhans als westliches Stadttor
Berlins errichtet, ist das Hauptwerk des preußischen Klassizismus
im Laufe seiner über 200-jährigen Geschichte zum Nationalsymbol
geworden. Ursprünglich ein Denkmal für den preußischen
Sieg im Siebenjährigen Krieg, wurde es bald zum Monument der
Befreiungskriege und nach 1871 zum Symbol des deutschen Kaiserreiches.
Als Kulisse zahlloser Jubel- und Trauerfeiern bis hin zu den Fackelzügen
der Nationalsozialisten hat es sich tief dem kollektiven Gedächtnis
eingebrannt; an der ehemaligen Grenze zwischen Ost und West gelegen,
verkörpert es wie kein anderes Bauwerk die Teilung und die
Vereinigung Berlins, Deutschlands, ja der Welt.
Dieser besondere Symbolgehalt des Brandenburger Tores ist es, der
jeder denkmalpflegerischen Maßnahme besondere Sorgfalt abfordert
- Grund genug also für das Schinkel-Zentrum
für Architektur, Stadtforschung und Denkmalpflege der Technischen
Universität Berlin, gemeinsam mit dem Landesdenkmalrat Berlin
ein Fachkolloquium zur gegenwärtigen Restaurierung zu veranstalten.
Die intensive Diskussion zwischen den international renommierten
Experten und dem zahlreichen, sehr sachkundigen Publikum brachte
ein überraschendes Ergebnis: Die in den letzten Monaten lebhaft
geführte Auseinandersetzung um einen farbigen Anstrich des
Bauwerks ist zweitrangig. Während der letzten Restaurierung
- 1990/91 - wurde nämlich das Tor nicht nur gereinigt, sondern
sein Stein chemisch gefestigt - mit der sehr unangenehmen Folge,
dass heute eine dünne, krustenartige Oberfläche über
einer durch die Reinigung mürbe gewordenen Gesteinsschicht
liegt. Jeder Anstrich würde deshalb wie ein zu dick aufgetragenes
Make-up die Gefahr großflächiger Abplatzungen bedeuten,
unterm Strich also mehr schaden als nützen. Andererseits: Auf
jeden schützenden Überzug der Oberfläche zu verzichten
würde das Problem einer raschen Schwärzung des empfindlichen
Steins nach sich ziehen und damit in wenigen Jahren eine erneute
Restaurierung erfordern. Eine dauerhafte Genesung des Tores braucht
deshalb vor allem Zeit - Zeit für gründlichere Untersuchungen
des Steins, Zeit für gründliche Untersuchungen auch der
Statik und Zeit für notwendige Tests einer möglichen Konservierung.
Das Schinkel-Zentrum, das als fakultätsübergreifender
Forschungsschwerpunkt (FSP) das Know-How unterschiedlichster, mit
Fragen der Architektur, Stadtforschung und Denkmalpflege befasster
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Technischen Universität
bündelt, wird die Restaurierung des Brandenburger Tors auch
weiterhin begleiten. An der Nahtstelle zwischen Wissenschaft und
Denkmalpflegepraxis wird es kritische Fragen stellen, den dringend
nötigen Wissenstransfer leisten und so im Dialog mit den Restauratoren,
dem Landesdenkmalamt und dem Senat mithelfen, dass aus dem Patienten
kein Dauerpatient wird.
Dr. Hans-Dieter Nägelke
Schinkel-Zentrum für Architektur, Stadtforschung und Denkmalpflege
Leserbriefe
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