TU intern - Oktober 2001 - Internationales
Big Brother für Heuschrecken und andere Plagen
Eine Forschungsreise in den Westen Chinas - moderne Technik
trifft auf alte Traditionen
Schädlingsbekämpfung
in China: Mit Heerscharen von Geflügel gegen Heuschreckenplagen |
Schon seit biblischen Zeiten werden große Areale vor
allem in den subtropischen Gebieten der Erde von Massenschädlingsplagen
wie zum Beispiel Heuschrecken heimgesucht. 25 Millionen km2, etwa
25 Prozent der Erdoberfläche in Afrika, Asien und Australien
sind davon betroffen.
Hunderte von Millionen Tonnen potenzieller Erntemengen werden
jährlich vernichtet und führen im Extremfall zu immer
wiederkehrenden Hungerkatastrophen. Schädlingsbekämpfungsmittel
- oft nach dem Prinzip "Viel hilft viel" eingesetzt,
gefährden das Ökosystem und die Gesundheit.
Doch es gibt bereits bessere Möglichkeiten, das Problem einzudämmen.
Allein die gigantischen Ausmaße der betroffenen Gebiete
fordern geradezu den Einsatz von Satellitentechnologien heraus.
Prof. Dr. Voss ist auf diesem Gebiet schon ein alter Fuchs. Bereits
seit 1985 setzen er und Mitarbeiter des Instituts für Geographie
der TU Berlin Erderkundung aus dem All bei der Bekämpfung
von Massenschädlingsplagen ein.
Zunächst spüren sie dazu mit Hilfe der Satelliten LANDSAT
und SPOT die am häufigsten wiederkehrenden Brutgebiete der
Schädlinge auf. Diese Gebiete werden dann zusammen mit ortsansässigen
Fachleuten der betroffenen Länder detailliert untersucht.
Mit Hilfe der so gewonnenen Erkenntnisse können die Wissenschaftler
dann auch in anderen Regionen der Erde Gebiete erfassen, die wegen
ihrer ähnlichen ökologischen Bedingungen Brutstätten
von Massenschädlingen sind. Diese Gebiete werden dann mit
Überwachungskameras ausgestattet und per Satellit Wetter-
und Vegetationsbedingungen verfolgt. Auf der Basis dieser Informationen
kann frühzeitig in den Lebenszyklus der Massenschädlinge
eingegriffen und ihre Ausbreitung verhindert werden. Schädlingsbekämpfung
wird dadurch nicht nur ökonomischer, sondern auch ökologischer.
Das Verfahren hat sich bereits in Mali, Niger, Sudan, Madagaskar
und Mauretanien bewährt. Auch die VR China wandte sich mit
der Bitte um Kooperation an Prof. Voss.
So reisten Prof. Voss und seine Mitarbeiter u. a. in die im Westen
Chinas gelegene Provinz Sinkiang. Sie liegt am Fuße des
Himalaja. Wüste, Halbwüste und Steppe durchsetzt von
Oasen wechseln hier einander ab. Der Reisende trifft auf orientalisches
Flair mit Moscheen und Basaren, denn die sich aus einem Vielvölkergemisch
zusammensetzenden Bewohner sind moslemisch. Seitdem die nahe Seidenstraße
ihre Bedeutung verlor, liegt die Region sehr abgelegen. "Ich
wurde einem kasachischen Bauern vorgestellt, der sich sehr darüber
wunderte, dass es außer Kasachisch, der regionalen Sprache,
noch andere Sprachen gibt", erinnert sich Voss. Geradezu
überwältigend war die Gastfreundschaft der Menschen.
Allerdings hatte die auch ihre "Schattenseiten". Zu
Ehren der deutschen Gäste wurde ein Hammel geschlachtet.
Das Beste daran ist der Kopf, und der stand deshalb natürlich
den Besuchern zu - Ablehnen wäre sehr unhöflich gewesen.
Auch wenn die einheimischen Bauern den Heuschreckenplagen wenig
entgegenzusetzen haben, so versuchen sie doch mit ihren Mitteln,
etwas zu tun. Sie setzen Geflügel als "Schädlingsbekämfungsschwadron"
ein.
Vor Ort arbeiteten die TU-Forscher mit Wissenschaftlern der Chinesischen
Akademie der Wissenschaften und Fachleuten aus dem Agrarsektor
zusammen. Diese Zusammenarbeit trägt Früchte. Durch
den Einsatz der satellitengestützten Beobachtung konnten
auch in Sinkiang die Ernteausfälle durch Heuschrecken um
80 bis 90 Prozent gesenkt werden.
tui
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