TU intern - Oktober 2001 - Aktuelles

"An morgen denken ..."

Wissenschaftspolitik in Zeiten knapper Kassen

Nichts bleibt wie es ist - diese Lebensweisheit könnte man auch als Motto über die vergangenen Monate Wissenschaftspolitik in dieser Stadt verhängen. Aus der großen Koalition wurde eine rot-grüne Regierung, der Berliner Zukunftsfonds schrumpfte von 250 anvisierten Millionen auf magere 20 Millionen. Dem CDU-Wissenschaftssenator folgte eine im Parteinahkampf erfahrene Dame aus Hamburg, und nicht nur die Feuilletonjournalisten dieser Stadt debattierten über mancherlei Ohrschmuck. Lebenswissenschaften als Diskussionsthema für den Wissenschaftssommer standen nach den Terroranschlägen in den USA weit hinten auf der gewünschten Prioritätenliste des Publikums.

Mehr im WWW:
www.an-morgen-denken.de
DIW-Wochenbericht 39/01

Der Übergangssenat von Berlin hatte nicht viel Zeit - die neue Kultur- und Wissenschaftssenatorin Adrienne Goehler noch nicht einmal für die Einarbeitung in ihr Doppelressort. Und doch wurde einiges angeschoben, die Richtung wird jedoch erst der neue Senat nach dem Wahltag am 21. Oktober entscheiden. Eine kleine Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes hatte das Abgeordnetenhaus Ende September verabschiedet. Mit ihr ist auch der Weg für das lang diskutierte Semesterticket in Berlin frei. Damit besteht die Chance, dass frühestens ab kommendem Sommersemester die Studierenden für 215 Mark pro Semester in den Zonen A bis C mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein können. Ins neue Gesetz wurde weiterhin ausdrücklich die "Förderung aktiver Toleranz" als Aufgabe für die Studentenausschüsse aufgenommen. Damit erhalten sie einen gesetzlichen Auftrag, in allen Fällen der Diskriminierung und der Ausländerfeindlichkeit ihre Stimme erheben zu dürfen. Auch gibt es eine erweiterte Rechtsgrundlage für die Beteiligung der Frauenbeauftragten in den Belangen der Hochschulen. Unnötige Verzögerungen durch organisatorische Probleme will man durch studienbegleitende Prüfungen abfedern. Dadurch soll die große Abschlussprüfung entlastet werden. Ziel sind kürzere Studienzeiten. Im Zuge der Novellierung wurde die Hochschule der Künste in eine Universität umbenannt. Dies soll sich vor allem bei der Kooperation im internationalen Bereich positiv auswirken, so die Politiker.

Doch nach geleisteter Arbeit muss man schon an morgen denken. Die Politiker - durch den Wahlkampf verpflichtet - entdeckten wieder einmal den Bereich Bildung. Doch weitaus wichtiger als Wahlkampfreden ist eine zügige und nachhaltige Umsetzung. Um diese mit Vehemenz einzufordern, hat sich die Initiative "An morgen denken - Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam für Berlin" gegründet, in der auch TU-Präsident Prof. Dr. Hans-Jürgen Ewers aktiv mitarbeitet und den Bereich Kompetenzzentren vertritt. Dieser Zusammenschluss von Persönlichkeiten aus beiden Bereichen fordert eine Prioritätensetzung für die Zukunftsfelder dieser Stadt, die sich vor allem an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft bilden. "Mit dieser Kampagne wollen wir nicht klagen, sondern aufzeigen, was die Wissenschaft für Berlin leistet", sagte Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Stock, Vorstandsmitglied der Schering AG und Mitinitiator von "An morgen denken". Der kürzlich vorgelegte Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) brachte dazu konkrete Zahlen: Jede vom Berliner Senat ausgegebene Mark für Wissenschaft und Forschung schafft in Berlin eine dreimal so hohe Nachfrage. Das DIW zeigte auf, dass die Ausgaben der vom Berliner Senat geförderten Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen im vergangenen Jahr eine regionale Nachfrage von 6,8 Milliarden. DM erzeugten; das entsprach 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Berlin. Dem standen rund 2,2 Milliarden. DM an Ausgaben der Stadt für wissenschaftliche Einrichtungen gegenüber. Die Initiative will besonders vor diesem Hintergrund deutlich machen, dass weitere Einsparungen die Wissenschaft in ihrer Substanz und damit die Zukunft Berlins beschneiden. Negatives Beispiel dafür ist die Reduzierung des Zukunftsfonds, aus dem innovative Technologieprojekte gefördert werden sollten. Das zu ändern ist eine Aufgabe für den neuen Senat. Dann können die Politiker zeigen, ob sie das Vorhaben in die richtige Richtung lenken können bzw. wollen.

Stefanie Terp


Leserbriefe

  TU intern -
    Oktober 2001


© 10/2001 TU-Pressestelle