TU intern - Oktober 2001 - Wahl
Sibyll Klotz, Die Grünen
1.
Wie sehen Ihre Ziele für die Berliner Hochschulpolitik aus?
Wie beabsichtigen Sie, den Hochschulstandort zu stärken?
Es muss im Bewusstsein aller Verantwortlichen in der Politik verankert
werden, dass die Wissenschaft einer der wichtigsten Standortfaktoren
für Berlin ist, und dies muss bei den Schwerpunktsetzungen
- gerade auch bei Haushaltsentscheidungen - spürbar sein.
Mittelfristig brauchen wir einen Ausbau der Studienplatzzahl und
damit des Hochschulsektors allgemein; der Abbauprozess des letzten
Jahrzehnts muss umgekehrt werden. Die Hochschulen brauchen mehr
Autonomie, um stärker ein eigenständiges Profil entwickeln
zu können. Die Interessen der Studierenden müssen dabei
ernster genommen und mehr in den Vordergrund gestellt werden.
Wir wollen keine Studiengebühren, auch Strafgebühren
für sogenannte Langzeitstudierende lehnen wir ab. Die Hochschulen
müssen sich stärker der Gesellschaft öffnen; das
gilt auch im Verhältnis zur Wirtschaft, wo die Kooperation
weiter ausgebaut werden muss. Die Frauenförderung muss in
Richtung eines umfassenden gender mainstreaming ausgebaut werden;
hierzu haben wir in der gerade beschlossenen Änderung des
BerlHG einen wichtigen Schritt gemacht.
2. Welche Reformmaßnahmen stehen bei Ihnen für diesen
Bereich im Mittelpunkt?
Nachdem die Hochschulverträge bis 2005 gerade gesichert wurden,
wird das wichtigste Projekt für die nächste Legislaturperiode
sicherlich die Novellierung des BerlHG werden. Wir wollen bei
der Novellierung die Autonomie der Hochschulen stärken und
ihnen die Möglichkeit sichern, durch ihre Grundordnungen
eigene erfolgreiche Modelle, die sie im Rahmen der Experimentierklausel
erprobt haben, fortführen zu können. Darüber hinaus
muss die Dienstrechtsreform umgesetzt werden, wobei wir die Einführung
von Juniorprofessuren und eine leistungsbezogene Besoldung vorantreiben
wollen. Wir wollen auch für die drei künstlerischen
Hochschulen Verträge durchsetzen, die ihnen Planungssicherheit
und ein festgelegtes Budget für mehrere Jahre geben. Wir
halten es für wünschenswert, dass begleitend ein eigener,
umfassender Wissenschaftstarifvertrag verhandelt wird. Wir brauchen
ferner eine durchgreifende Studienreform, um die Studiengänge
zu internationalisieren, zu entschlacken und zu modernisieren
und damit auch studierbarer zu machen. Die Einführung von
Bachelor und Master und die Modularisierung bieten dafür
den Ansatzpunkt, sind jedoch auch kein Allheilmittel für
neue Lehr- und Lernformen, die. auch in Diplom- und
Magisterstudiengängen zunehmend Eingang finden müssen
3. Die Hochschulen sind trotz der Hochschulverträge unterausgestattet
und damit kaum wettbewerbsfähig. Treten Sie für zusätzliche
Finanzierungsmöglichkeiten im Rahmen von Sonderprogrammen
ein (z.B. Zukunftsfonds)?
Nachdem in den Hochschulverträgen die konsumtiven und erstmals
auch die allgemeinen investiven Zuschüsse bis 2005 festgelegt
sind, womit die Hochschulen immerhin für längere Zeit
und im Gegensatz zu vielen anderen Berliner Institutionen Planungssicherheit
haben, müssen vor allem die größeren Bauvorhaben
im Investitionsplan des Landes abgesichert werden. Wir wollen
eine Vereinbarung mit dem Bund über ein Paket zur Hilfe bei
der Schuldentilgung des Landes, damit die vorhandenen Einnahmen
stärker für entsprechende Investitionsprogramme genutzt
werden können. Darüber hinaus sind alle Möglichkeiten
zur Erschließung zusätzlicher Finanzquellen durch die
Hochschulen selbst und durch die Beteiligung der Wirtschaft auszuweiten.
4. Sehen Sie betriebsbedingte Kündigungen als legitimes
Mittel für einen Personalabbau im öffentlichen Dienst
und wenn ja, warum?
Wir haben große Zweifel an der Effektivität des Instruments
"betriebsbedingte Kündigungen" zum Personalabbau.
Auch Sozialpläne sind kostspielig, und es findet eine Auslese
gerade zu Lasten der jüngeren Bediensteten statt, die wissenschaftspolitisch
nicht sinnvoll sein kann. In Institutionen mit Dienstkräften
aus West- und Ostteil haben aufgrund der Dienstzeitregelungen
Bedienstete aus dem Osten regelmäßig das Nachsehen,
das ist nicht hinnehmbar. Hinzu kommen atmosphärische Unruhe
und langwierige Streitverfahren. Vor diesem Hintergrund ziehen
wir andere, möglichst sozialverträgliche Formen des
Personalabbaus vor. Diese müssen aber auch ergriffen und
durchgesetzt werden, um betriebsbedingte Kündigungen dauerhaft
zu vermeiden.
5. Wann wird die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes
aus Ihrer Sicht abgeschlossen sein und welche Akzente wird Ihre
Partei dort setzen?
Wir wollen den Hochschulen kein fertiges Modell überstülpen,
sondern - ähnlich wie in Hamburg - das neue Gesetz unter
Beteiligung aller Betroffenen erarbeiten. Denn die Experten für
interne Reformen an den Hochschulen sind die Lehrenden und die
Lernenden selbst. Ein solches Verfahren kann durchaus anderthalb
bis zwei Jahre benötigen. Die Erfahrungen aus den bisherigen
Erprobungsmodellen sind einzubeziehen. Wir setzen dabei auf eine
weitestmögliche Autonomie der Hochschulen und die Reduzierung
der staatlichen Aufsicht auf das Minimum. Die Hochschulen sollen
sich ihre Verfassung weitgehend frei geben, wobei allerdings allen
Gruppen genügender Einfluss bleiben muss, denn die Demokratisierung
der Hochschulen ist uns wichtig. Die Steuerung der Hochschulen
erfolgt v.a. durch die Hochschulverträge und Zielvereinbarungen,
die wir als Instrument weiterentwickeln wollen.
Was würden Sie tun, wenn Sie Universitätspräsident/in
wären?
Ich würde versuchen, Entscheidungen im Dialog mit den Betroffenen
zu treffen und die Vision für die Universität gemeinsam
zu entwickeln. Ich setze auf weitestmöglich dezentrale Zuständigkeit,
aber auch Verantwortung, die ernst genommen werden muss. Ich möchte,
dass das gender mainstreaming in allen Bereichen umgesetzt wird.
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