TU intern - Oktober 2001 - Wahl
Prof. Dr. G. Stock, Schering Aktiengesellschaft
1.
Welche Schwerpunkte würden Sie setzen, wenn Sie zur neuen Senatorin
/ zum neuen Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur
gewählt werden würden?
Ein neuer Senat sollte sich zuerst die Frage vorlegen, ob die
Zusammenlegung der Ressorts für Wissenschaft und Forschung
einerseits, für Kultur andererseits, für Berlin das
richtige Modell ist, wenn es darum geht, Wissenschaft und Forschung
in Berlin zu fördern und auszubauen.
Der neue Senat von Berlin und damit auch der für Wissenschaft
zuständige Senator sollte nach einer sorgfältigen, aber
raschen Bestandsaufnahme folgende Schwerpunkte setzen:
Alle Kraft darauf verwenden, die Drittmittelfähigkeit der
einzelnen Institutionen vorrangig zu erhalten bzw. sogar noch
auszubauen. Hierzu gehören auch und gerade die Ansiedlungen
von extra-universitären Institutionen.
Es muss alles dafür eingesetzt werden, bei Neuberufungen
(und in Berlin wird es in nächster Zeit viele geben) die
Ausstattung so zu wählen, dass international kompetitive
Berufungen vorgenommen werden können. Stichwort: Sicherung
des Hochschulprofessoren-Erneuerungsprogramms.
Der Senat muss alles daran setzen, alle wissenschaftsstrategisch
wichtigen neuen Vorhaben zu fördern. Hierzu war der Zukunftsfonds
ein ideales Instrument. Es muss dringend die Wiederherstellung
des Fonds oder einer vergleichbaren Einrichtung erfolgen, oder
eine anderweitige Mittelbeschaffung für solche neue Themen
für die Stadt gefunden werden.
Alle diese Vorhaben zusammen münden in ein Profilierungs-
und Schwerpunktbildungsprogramm, für welches es durch die
gute Kooperation der Berliner Wissenschaftler sehr gute Vorarbeiten
gibt, wobei für diese Profilierung in besonderer Weise die
noch nicht ausreichend genutzten Synergien zwischen universitären
und außeruniversitären Forschungsinstitutionen genutzt
werden sollten.
Die räumliche Nähe in Berlin prädestiniert diesen
Standort geradezu, einen Wissenschaftscampus großen Ausmaßes
zu schaffen, an dem alle, die an Wissenschaft interessiert sind
und vor allem alle, die Wissenschaft finanzieren, partizipieren.
Eine Wissenschaftslandschaft in der Vielfalt und Breite, wie sie
Berlin bietet, ist einmalig in Deutschland. Die Schaffung großer
Verbünde und Schwerpunktprogramme muss ein großes Ziel
sein. Voraussetzung allerdings ist ein höheres Maß
an Integration und Abstimmung. Dies könnte Berlin gleichberechtigt
in die Nähe von anderen großen Wissenschaftszentren
führen (Boston, Bay Area).
2. Was wäre Ihre erste Handlung, wenn Sie Präsidentin
/ Präsident der TU Berlin wären?
Dies ist eine höchst hypothetische Frage. Aber ich würde
sicherlich als erstes wissen wollen, ob die Innensicht, die die
TU von sich hat, mit der Außensicht übereinstimmt.
Auch würde ich vor allem kritisch nachfragen, ob die Innensicht
ausreichend ehrlich und auch durch einigermaßen objektivierbare
Parameter zu belegen ist.
3. Was können aus Ihrer Sicht Medien und Universität
tun, damit nicht nur über Kultur, sondern auch über
Anliegen aus Wissenschaft und Hochschule gesprochen und diskutiert
wird?
Zunächst einmal muss die Universität und müssen
die außeruniversitären Institutionen dafür sorgen,
dass das Aufregende, was "innerhalb ihrer Mauern" geschieht,
erkannt, wertgeschätzt und dann auch entsprechend publiziert
wird. Erst wenn universitäre und außeruniversitäre
Institutionen bereit sind, ausreichend und kontinuierlich Zeit
und Kreativität in den Bereich öffentliche Kommunikation
zu investieren, können sie zu Recht erwarten, dass sich das
Medieninteresse und damit auch das Interesse der Öffentlichkeit
ihnen stärker zuwendet.
Das Problem wird immer sein, dass - im Gegensatz zu kulturellen
Ereignissen - die Wissenschaft relativ wenig von "event-Charakter"
in sich birgt. Aus diesem Grunde müssen neue Formen der Kommunikation
gefunden werden. Hier wäre ein gemeinsames Nachdenken mit
den Medien und Medienexperten möglicherweise ein Schritt
von vielen anderen, die getan werden müssen, um das Thema
Wissenschaft interessant darzustellen.
Im Übrigen sehe ich die Situation nicht so schlecht. Die derzeitige Debatte
um biologische Fragen hat ja längst die Wissenschaftsseiten
der einzelnen Zeitschriften und Zeitungen verlassen. Im Wirtschaftsteil,
im politischen Teil und im Feuilleton wird die Debatte geführt.
In solchen Fragen könnten sich meines Erachtens noch mehr Berliner
Wissenschaftler in den öffentlichen Diskurs einbringen. Aber
ich denke, die Wissenschaftler sollten sich auch nicht scheuen,
über ihre Finanzprobleme stärker in der Öffentlichkeit
zu diskutieren. Institutsschließungen sind sicherlich ähnlich
seltene Ereignisse wie Theaterschließungen in Deutschland.
Die öffentliche Debatte hingegen dürfte deutlich verschieden
sein, wobei Vielfalt in der Kunst und Vielfalt in der Wissenschaft
sicherlich grundsätzlich ähnliche wichtige Erfordernisse
sind.
zurück zur Übersicht
Leserbriefe
|