"Die Erfolgreichen sollen nicht leiden"

Interview mit Staatssekretär Peer Pasternack über Sparzwänge und Veränderungen

"Nach 2005 werden auch die Vertragshochschulen zur Konsolidierung des Haushalts beitragen müssen."
Dr. Peer Pasternack (parteilos), Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin

Anfang Februar wurde Dr. Peer Pasternack (parteilos) zum Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung in Berlin ernannt. Bis dahin arbeitete er als Wissenschaftler am Institut für Hochschulforschung der Martin-Luther-Universtät Halle-Wittenberg. Unlängst hatte er mit einer Studie über die Aufarbeitung der DDR an deutschen Universitäten Aufsehen erregt, daneben aber vor allem zu Fragen der Hochschulorganisation und -systemsteuerung publiziert. Nun stellt er seine hochschulpolitischen Kenntnisse in den Dienst Berlins. TU intern fragte ihn, welche Probleme auf die Berliner Forschungslandschaft zukommen.

Herr Pasternack, in dem Sitzungsmarathon zum Doppelhaushalt im März hat der Senat beschlossen, dass die Hochschulverträge trotz des Sparzwangs nicht angerührt werden. Können sich die Hochschulen nun beruhigt zurücklehnen, sich sicher vor einschneidenden Kürzungen fühlen?

Es war nicht ernsthaft ins Auge gefasst worden, die Hochschulverträge zu brechen. Öffentlich-rechtliche Verträge kann man nicht kündigen, und man sollte sie auch nicht brechen, wenn man das Instrument des Hochschulvertrages für die Zukunft sichern möchte. Wir mussten aber immerhin den Beteiligten den Ernst der Lage massiv vor Augen führen.

Der Senat steht also zu den Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen ergeben. Auch die dort vereinbarten finanziellen Aufwüchse werden geleistet. Eine akute Kürzungsgefahr besteht insofern nicht. Es gibt aber dennoch keinen Grund, sich zurückzulehnen. Das Problem wird sein, die Zeit nach Ablauf der Hochschulverträge, also nach 2005, vorzubereiten, denn auch die Vertragshochschulen werden zur Haushaltskonsolidierung beitragen müssen. Das heißt, wir werden über Leistungsverdichtungen reden müssen.

Wird es bei der Zahl der Studienplätze Verschiebungen zwischen Universitäten und Fachhochschulen geben?

Es gibt ja bekanntermaßen den politischen Willen, den Fachhochschulsektor zu stärken. Inwieweit das zu Lasten der Universitäten gehen soll, ist noch nicht ausdiskutiert. Im Zuge der Vertragsverhandlungen, die nicht nur die einzelne Hochschule, sondern die Gesamtlandschaft in den Blick nehmen sollen, werden wir das allerdings diskutieren müssen. Wir streben aber an, die Anzahl der Studienplätze zu erhalten. Man wird jedoch die Frage stellen müssen, warum Berlin bei den Kosten pro Absolvent und Absolventin so hoch liegt. Dort vermuten wir Potenziale für Effektivierungen.

Können Sie schon konkret sagen, wo strukturelle Veränderungen in Kultur und Wissenschaft ansetzen?

Das möchten wir gern zusammen mit den Hochschulen diskutieren. Die durch den Zeitdruck erzwungene Intransparenz der soeben bewältigten Haushaltsaufstellung soll nicht die Regel werden. Ich möchte nicht mit einem fertigen Masterplan in die Debatte gehen, mir liegt an einer ergebnisoffenen Debatte. Es gibt natürlich ein paar politisch favorisierte Prämissen: die Stärkung des Fachhochschulsektors beispielsweise oder der Grundsatz, dass Qualitätsarbeit nicht bestraft werden soll, indem man gerade dort kürzt. Es darf nicht sein, dass gerade die besonders Erfolgreichen - in Ausbildung, Forschung, in der Einwerbung von Sonderforschungsbereichen oder sonstigen Drittmitteln - besonders leiden, etwa weil sie zufällig verfügbar sind, da sie keine Verträge haben - wie jetzt gerade die Kunsthochschulen im Ostteil der Stadt.

Heißt das, dass viele Expertenkommissionen eingesetzt werden müssen, um Qualität nachzuweisen? Das wäre doch ein sehr langwieriger Prozess.

Der Wissenschaftsrat hat in den letzten Jahren bereits viele Bereiche der Berliner Wissenschaftslandschaft evaluiert, den außeruniversitären Sektor zum Beispiel komplett. Wir werden sicherlich nicht eine Kommission nach der nächsten gründen. Das kostet Zeit und verschiebt nur Entscheidungen, während nichts wirklich passiert.

Wie werden die nächsten Schritte in Ihrem Ressort aussehen?

Unser zentrales Anliegen ist es, die Hochschulverträge als Regelsteuerungsinstrument für alle Hochschulen zu verankern. Wir halten das für ein sehr intelligentes Steuerungsinstrument, das die Autonomie der Hochschulen massiv stärkt. Ein weiterer ganz wichtiger Punkt für uns ist die außeruniversitäre Forschungslandschaft. Wir werden eine "Metaevaluierung" durch eine Forschungsstrukturkommission durchführen lassen, die auf die zahlreichen Evaluierungen der Institute in den letzten Jahren aufsetzt. Immerhin haben ja fast alle glänzend abgeschnitten. Das war für uns ein entscheidendes Argument in den Haushaltsverhandlungen. Man kann nicht etwas einsparen, das gerade glänzend durch Evaluierungen gegangen ist.

Das heißt, dass die Hochschulen sich mit ihren internen Evaluierungen sehr sputen müssen, um Leistungsfähigkeit und Qualität unter Beweis zu stellen?

Wichtig ist uns zunächst, dass erkennbare Anstrengungen zur Identifizierung von Stärken und Schwächen unternommen werden. Ebenso wichtig sind dann die anschließenden hochschulinternen Optimierungen. Nur so können wir Anhaltspunkte für Qualität und Qualitätssicherung gewinnen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Patricia Pätzold


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