Moskau - Die nackte WahrheitWie studentische Sprachreisende die russische Hauptstadt erlebten
Eigentlich gibt's ja in Moskau nichts. Eigentlich wird man in Moskau jeden Abend zusammengeschlagen und ausgeraubt, es ist dort immer kalt, es gibt in Russland kein Bier, eigentlich zocken die Russen andere, vornehmlich aus dem nicht sozialistischen Ausland, kräftig ab und sind sowieso Hinterwäldler. Eigentlich. Aber wo kommen denn dann die ganzen Gagarins, Kasparows, Puschkins, Tschaikowskis, Repins und Ivanows her? Was steckt also dahinter, was ist das Geheimnis? Wir sind der Sache auf den Grund gegangen, und tatsächlich! Als Sprachkurs der Zentraleinrichtung für moderne Sprachen (ZEMS) der TU Berlin getarnt - mit Hauptquartier am Puschkin-Institut - konnten wir in Moskau Unglaubliches aufdecken. So gelang es uns, den Untergrund zu infiltrieren, Ausbildungszentren zu besichtigen und die Quelle der russischen Stärke zu entdecken! Der gemeine Moskauer neigt dazu, über drei Millionen Mal am Tag in der Unterwelt zu verschwinden. Für 160 Rubel (5,33 Euro) Monatsbeitrag ist man im "Alle-40-Sekunden-Club" dabei und kann in den Palästen fürs Volk seinen dunklen Geschäften (Zahnbürsten kaufen!) nachgehen. Dort wird man sofort mit Bier empfangen. Der betuchtere Moskauer lässt sich natürlich im Automobil, vornehmlich deutschen Fabrikats, umherchauffieren. Die russische Standardausführung dieser Kfz ist praktischerweise gleich mit Panzerung versehen. Die sportliche Chauffeurausbildung findet auf den teils siebenspurigen Straßen (in jede Richtung!) statt, diese dann allerdings mit alten Ladas. Punkte beim Chef macht, wer vor den Zebrastreifen noch einmal auf 110 Stundenkilometer beschleunigt, um Fußgänger einzuschüchtern. Heiraten in Moskau ist reine Agitation des KGB. Man munkelt, dass das Standesamt eine Karte mit strategischen Punkten ausgibt, die abgefahren werden müssen. So testeten wir die Spionageferngläser am Fuß der Lomonosow-Universität auf den Sperlingsbergen, von wo aus man den besten Blick über die Stadt hat. Nächste Station: Siegesplatz, der schon Napoleon als Aussichtspunkt gedient hat. Dort gibt es einen Kurs in Waffenkunde, denn für nichts ahnende Touristen ist es als schnödes Streitkräftemuseum getarnt. Ständig trainiert wird Nahkampfausbildung. Moskauer tun so, als ob sie nach Dingen an den zahlreichen Ständen am Wegesrand suchten (Obst, Gemüse, Bier, Klamotten, Bücher), insgeheim ist das Opfer aber schon längst erspäht und im nächsten Moment überrannt, oder zumindest angerempelt. Ein weiteres subtiles Mittel der Beeinflussung ist das Süchtigmachen nach russischen Lebensmitteln. Wer einmal damit angefangen hat, ist für immer verloren: Schokobutter, usbekisches Brot, Wodka mit Melone. Weswegen waren wir eigentlich da? Da war doch noch was, ach ja, der Sprachkurs. Lief perfekt. Wo sonst werden noch Kultfilme wie "Hase & Wolf" gezeigt oder preiswert echte russische Leckerbissen in der Institutsmensa feilgeboten? Eine unbezahlbare Zeitreise in die sozialistische Vergangenheit. Zu guter Letzt gilt unser besonderer Dank Dr. Emilia Berthold von der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen TU Berlin, die uns dieses Highlight ermöglichte. Ein Geheimtipp für alle Russlandfans und solche, die es noch werden wollen. Unbedingt empfehlenswert!!! Die Moskaureisegruppe der ZEMS |
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