TU intern - Februar/März 2002 - Alumni
Meinungen
aus der Praxis
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Peter
Larsen
Visionen müssen keine Utopien sein
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Geisteswissenschaftler
leben nicht im Elfenbeinturm und sind keine Sozialromantiker,
verwahrt sich Dr. Peter Larsen, ehemals Student der Musikwissenschaft
und der Deutschen Philologie an der TU Berlin, gegenüber einschlägigen
Vorurteilen aus Wirtschaft und Technik. Wir sind dagegen eher
zum Cross-over, zur interdisziplinären Zusammenarbeit bereit.
Peter Larsen sucht gern den Kontakt zu anderen Disziplinen. An seine
TU-Studienzeit erinnert, bedauert er, dass Geistes- und Ingenieurwissenschaften
mehr nebeneinander als miteinander studierten. Nur einmal sei alles
anders gewesen: Bei einem längeren Streik 1987 entstanden interdisziplinäre
Seminare. Das hätte fortgeführt werden sollen, findet
Larsen.
Der TU-Alumnus Peter
Larsen pendelt zwischen wissenschaftlicher und künstlerischer
Tätigkeit. Neben dem Studium war die Praxis, vor allem Theaterarbeit,
eine zweite Säule. 1998 hat er an der TU Berlin promoviert
und ist dann sowohl zur Forschung als auch zur Musikdramaturgie
zurückgekehrt. Er war wissenschaftlicher Berater der CD-Reihe
Weimarer Klassik, leitete die Konzeption und die Errichtung
einer Gedenkstätte für einen von ihm wiederentdeckten
Komponisten und forschte 1999 in Weimar mit Hilfe eines Postdoktorandenstipendiums
über das Thema Musik bei Goethe, auch hier wieder
interdisziplinär.
Zur Zeit arbeitet Dr.
Peter Larsen als Dramaturg für Konzerte und Musiktheater am
Theater Nordhausen in Thüringen. Er ist zuständig für
sinfonische Konzerte mit dem Loh-Orchester Sondershausen sowie für
Musiktheaterproduktionen wie Musicals, Oper und Ballett. Interdisziplinäres
Denken ist da überlebenswichtig, das ist das Faszinierende
am Theater, meint der geborene Berliner. Hier sind Absprachen
notwendig, unter anderem mit dem Regieteam, dem Dirigenten - zum
Beispiel bei einer Inszenierung des Fliegenden Holländers
von Richard Wagner, die wir 2001 hatten. Bühnenbilder
und Kostüme müssen zum Anspruch und zur Ästhetik
der Inszenierung passen. Man müsse sich fragen, ob diese vom
musik- und theaterwissenschaftlichen Standpunkt her stimmig sind
oder ob mögliche Brüche gewollt sind. Dazu gehört
eine Menge historisches Hintergrundwissen. Sehr gerne steht Peter
Larsen als Moderator, Rezitator und bei Künstlerinterviews
dem Publikum selbst gegenüber. Im vergangenen Jahr hat er zudem
das erste Max-Bruch-Fest in Sondershausen organisiert:
Koordination, Werbung, Programmplanung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
alles fiel in seine Zuständigkeit. Dazu kam noch die Ausrichtung
eines wissenschaftlichen Symposiums. Doch Peter Larsen empfindet
den Stress dabei nicht als unangenehm. Ich bin immer neugierig
und möchte neue Wege gehen. Keinesfalls würde ich mich
nur in meiner Musikwissenschaft vergraben. In Zukunft ist Interdisziplinarität
für die Lösung der globalen Probleme notwendig. Hier könnten
Geisteswissenschaftler wichtige Beiträge leisten, denn das
sind Leute mit Visionen. Visionen, so Larsen, seien jedoch
nicht zu verwechseln mit Utopien oder gar Ideologien. Daher könnte
er sich in Zukunft auch eine Beratertätigkeit in Wirtschaft
oder Politik vorstellen. Leute mit Visionen nicht mit ins
Boot zu nehmen ist Ressourcenverschwendung, meint er. Als
Beispiel nennt er das Internet, das er Schaufenster der Globalisierung
nennt. Dort gäbe es ein Chaos von Angeboten nebeneinander ohne
erkennbare Gesamtstruktur oderinnere Interaktion. Gleiches träfe
auf viele Bereiche in Wirtschaft und Politik zu. Hier wäre
noch viel zu tun. Im Moment schaut sich Dr. Peter Larsen nach einem
passenden Job um. Dann möchte er nämlich mit seiner zukünftigen
Frau, einer Theologin, ein gemeinsames Leben aufbauen.
Patricia
Pätzold
Kontakt: eberwein.archiv@freenet.de
Leserbriefe
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